Ferstls historische Großtat

von Redaktion

Der 28-jährige Oberbayer sorgt in Gröden für den ersten deutschen Super-G-Sieg seit Wasmeiers Erfolg anno 1991

Von Elisabeth Schlammerl

Gröden – Gewissheit gibt es im Zielraum der Saslong keine. Erst wenn der letzte Skirennläufer abgeschwungen hat, kann sich der Führende in der Regel sicher sein, das Weltcuprennen in Gröden gewonnen zu haben. Josef Ferstl erging es am Freitag nicht viel besser. Nach den ersten 30 Läufern, gab er zu, habe er gewusst, dass es „ein gutes Rennen“ war. Und ein bisschen später, als der Himmel über dem Langkofel doch nicht wie vorhergesagt aufriss und das Rennen nach der Nummer 38 abgebrochen wurde, wusste er, dass er den Super-G gewonnen und damit als erster Deutscher seit Max Rauffers Abfahrtstriumph auf der gleichen Piste im Jahr 2004 bei einem Speedrennen gesiegt hat. Der letzte deutsche Erfolg im Super-G war Markus Wasmeier im März 1991 gelungen, also vor fast 27 Jahren.

Ferstls Sieg war der nächste Glanzpunkt in diesem für die alpine Sparte des Deutschen Skiverbandes bisher so erfolgreichen Winter. „Weltcupsieg“, sagte Ferstl, „das weiß man ja gar nicht, wie man das schreibt. Man war heute der Beste von der ganzen Welt. Das ist unglaublich.“

Der 28-Jährige vom SC Hammer war als Zweiter gestartet und damit vor allen Favoriten. Dass er die Führung übernahm, war deshalb keine große Überraschung, schon eher, dass er vor der ersten Unterbrechung immer noch vorne lag. Da waren schon ein paar Österreicher im Ziel, der Norweger Aksel Lund Svindal, der immerhin vier Super-G-Rennen auf der Saslong gewonnen hatte, und der Kanadier Eric Guay. Die frühe Startnummer war am Freitag kein Nachteil, denn es begann leicht zu schneien, die Piste wurde etwas langsamer. Die ebenfalls zu den Favoriten zählenden Norweger Kjetil Jansrud und Aleksander Aamodt Kilde konnten im oberen Streckenteil mithalten, aber dann patzten beide in der Ciaslat-Wiese, einer der Schlüsselstellen.

Es war bei diesen Bedingungen ein gutes Skigefühl wichtiger, als das Limit auszuloten. „Er hat in der Ciaslat ein bisschen Speed herausgenommen. Anscheinend war das genau das Richtige“, sagte DSV-Alpinchef Wolfgang Maier. „Die Cracks haben da ausgelassen, die sind ein bisschen ohne Hirn hingefahren.“ Am Ende standen neben Ferstl in Max Franz und Matthias Mayer (beide Österreich) zwei Athleten auf dem Podest, die ebenfalls eine frühe Startnummer zugelost bekommen hatten.

„Ich habe schon auch Glück gehabt“, weiß Ferstl, „aber man muss das auch gut fahren, und das habe ich geschafft.“ Dabei war er etwas gehandicapt ins Rennen gegangen. In Lake Louise hatte er sich beim Ausziehen des Skischuhs am Knie verletzt, das Narbengewebe des vor zwei Jahren operierten Kreuzbands ist eingerissen. Es sei schon besser geworden, aber er habe nur mit Schmerzmittel starten können.

Ferstl setzt mit dem Sieg die etwas überraschende Erfolgsgeschichte der lange Zeit – „auch im eigenen Haus“, wie Maier anmerkte – belächelten deutschen Abfahrtsmannschaft fort. „Vor vier Jahren standen wir noch mit dem Rücken zur Wand“, gibt Ferstl zu. Dann kehrte Mathias Berthold als Cheftrainer zum DSV zurück, mit dem ambitionierten Ziel, ein paar Abfahrer mit Medaillenchancen zu den Olympischen Winterspielen 2018 zu schicken.

Wenn Ferstl, Andreas Sander, der mit Platz sechs das gute Resultat komplettierte, sowie der junge Thomas Dreßen aus Mittenwald (20.) gesund bleiben, sind die deutschen Speedfahrer in Pyeongchang zumindest zum erweiterten Favoritenkreis zu zählen. „Irgendwann platzt der Knoten, dann läuft das auch“, sagt der zweifache Familienvater Ferstl, dessen bestes Weltcup-Resultat bisher ein fünfter Platz gewesen war.

Ferstl ist der Älteste der kleinen deutschen Abfahrtsmannschaft und deshalb der Erfahrenste – und wie Kollege Sander findet, „der Erwachsene von uns“. Aber zuletzt schien vor allem Dreßen zu enteilen. Ferstl fehlte die Konstanz und, wie der Papa meinte, oft der Speed am Start. Sepp Ferstl hatte als bisher einziger Deutscher die Abfahrt von Kitzbühel gewonnen, 1978 und 1979, und war natürlich ein Vorbild für den Sohn. Am Freitag saß Ferstl senior daheim in Traunstein auf der Couch, und als der Junior sich aus dem Starthaus stieß, hatte er wieder einmal kein sehr gutes Gefühl. „Ich habe gedacht, dass er zu wenig angeschoben hat.“ In Gröden kam es diesmal darauf womöglich nicht an.

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