Kampf um den letzten Olympia-Traum

von Redaktion

Bei der DM muss Eiskunstläufer Liebers eine Verletzung besiegen – und den Konkurrenten Fentz

Von Doris Henkel

Frankfurt – Gute alte Zeit? Von wegen. Als sich die deutschen Eiskunstläufer vor diesem Wochenende zum letzten Mal zu nationalen Meisterschaften in Frankfurt trafen, fand die Veranstaltung im Freien statt. Das war anno ’62, es regnete in Strömen, der spätere Sportdirektor der Deutschen Eislauf-Union, Peter Krick, wurde Dritter bei den Männern, und im Paarlaufen gewannen nicht Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler, sondern deren langjährige Rivalen Margret Göbl und Franz Ningel. Diesmal laufen und sitzen alle im Trockenen in der Eissporthalle am Bornheimer Hang, was bei der aktuellen Witterung eine beruhigende Nachricht ist.

Und es geht um mehr als die Titel. Nach diesem Wochenende wird feststehen, welche Einzelläufer und Paare für die Olympischen Spiele qualifiziert sind. Nur Aljona Savchenko und Bruno Massot haben die Tickets für Pyeongchang schon in der Tasche, aber die beiden laufen ja ohnehin in einer eigenen Liga. Beim Sieg vor einer Woche beim Grand-Prix-Finale in Nagoya überzeugten die beiden mit der bisher besten Version ihrer großartigen Kür, und es gehört nicht viel Fantasie zur Prognose, dass diese Kür leuchtender Höhepunkt der Meisterschaften sein wird.

In der spannendsten Geschichte des Wochenendes geht es um die Chance auf ein Happyend. In der Punktwertung für die Olympia-Qualifikation führte Peter Liebers vor der Meisterschaft nur mit etwas mehr als vier Punkten vor Paul Fentz (25), beide aus Berlin. Liebers, mit sechs deutschen Meistertiteln mit Abstand bester Läufer der jüngsten Vergangenheit, wird im nächsten Frühjahr 30, und nach diversen Verletzungen spürt er den Zahn der Zeit. Im Februar soll Schluss ein, und natürlich wäre es eine tolle Sache, wenn er sich noch mal für die Olympischen Spiele qualifizieren könnte.

Kurioserweise gleicht die Ausgangslage jener Situation bei den Meisterschaften vor acht Jahren in Mannheim, als er der junge Herausforderer war und der acht Jahre ältere, ehemalige WM-Dritte Stefan Lindemann, zum Abschluss der Karriere um das Olympia-Ticket kämpfte. Lindemann gewann damals mit knappem Vorsprung, aber Liebers sagt: „Klar war das damals ein bitterer Moment für mich. Aber das hat eine Entwicklung eingeleitet, die ganz wichtig für mich war. Weil ich an dem Punkt gemerkt habe, bis hierhin war alles nett und schön, ich bin bei EM und WM gelaufen, aber ich will auch mal weiter nach oben. Also müssen wir was ändern.“

Zum bewährten Training in Berlin mit Bundestrainerin Viola Striegler kamen danach regelmäßige Aufenthalte bei einer renommierten Trainingsgruppe in Toronto. „Diese Entwicklung war extrem wichtig, und sie wäre so nicht erfolgt, wenn ich damals als kleiner Grünschnabel schon nach Olympia gefahren wäre.“ Und sie führte dazu, dass er sich vier Jahre später nicht nur für die Spiele qualifizierte, sondern in Sotschi die beste Leistung seiner Karriere zeigte und höchst respektabel Achter wurde.

Weil er nun weiß, dass in ein paar Monaten für ihn Schluss sein wird, entschloss er sich zu einer Maßnahme, die er nicht mag. Als nach dem ersten Wettbewerb dieses Winters wieder das Patellaspitzensyndrom im rechten Knie aufflammte, sagte er sich: „Wir jagen da jetzt ne Runde Kortison rein, damit die Sehne ruhiggestellt ist. Vier Monate noch, länger muss sie nicht mehr mitmachen.“

Aber selbst wenn man alles versucht, um alles richtig zu machen, geht die Sache manchmal komplett daneben. Aus den vier Punkten Vorsprung, die Liebers auf Fentz hatte, wurden am Freitag im Kurzprogramm zehn Punkte Rückstand. Fentz sprang den geplanten dreifachen Axel zwar nur doppelt, doch bei Liebers klappte kein einziges der drei Sprungelemente. Er habe keine Ahnung, was da gerade passiert sei, meinte er hinterher konsterniert, aber jetzt gebe es in der Kür nur noch eins: „Angreifen. Ich hab nix mehr zu verlieren.“ Noch liegt das Ticket nach Südkorea auf dem Tisch.

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