München – Am Sonntag um 14 Uhr steht im Grünwalder Stadion der Jahresabschluss des Frauenteams des FC Bayern an. Gast ist Tabellennachbar Frankfurt, Dritter gegen Vierter. Die Spielerinnen verteilen ab 12.30 Uhr Waffeln, Kuchen und Autogramme. Simone Laudehr analysiert im Interview die Vorrunde.
-Frau Laudehr, ist das 1:3 vom Montag beim Titelverteidiger VfL Wolfsburg schon verarbeitet?
Ja, wir haben alles analysiert. Wir sind gleich in den ersten fünf Minuten in zwei blöde Konter gelaufen und hätten den Ball nicht verlieren dürfen. Wolfsburg hat Weltklassestürmerinnen, die Fehler eiskalt bestrafen. Das 1:3 war dann der Genickbruch. Wir dürfen uns mit diesem Spiel nicht mehr lange aufhalten.
-Wie groß ist der Druck jetzt zum Jahresausklang gegen den 1. FFC Frankfurt, der als Tabellenvierter mit einem Sieg nach Punkten gleichziehen könnte?
Ich bin ja eine erfahrene Spielerin und kann Druck auspendeln. Auch Frankfurt kocht nur mit Wasser und wir brauchen uns von diesem 1:3 in Wolfsburg nicht verunsichern lassen. Wir haben eine starke Hinrunde gespielt. Druck hast du immer, den machst du dir auch selbst. Selbst wenn wir am Montag gewonnen hätten, würden wir gegen Frankfurt drei Punkte als Ziel haben. Ich will alles gewinnen, immer. Wir werden bissig sein.
-Ihr Ex-Klub Frankfurt kommt mit der besten Defensive der Liga. Eine harte Nuss, kurz vor Weihnachten.
Ja, aber wir sind auch eine harte Nuss – oder besser: Wir sind gute Nussknacker (lacht). Köln war zum Beispiel auch eine harte Nuss, die hatten ihren Bus vor ihrem Tor geparkt. Jeder, der gegen den FC Bayern spielt, geht ans Limit. Ich kenne den Trainer Niko Arnautis gut, er hat mit mir zusammen die B-Lizenz gemacht. Das ist ein guter Typ, der Schwung reingebracht hat. Es wird nicht leicht. Aber wir haben eine gute Offensive, die Frankfurt knacken kann. Generell müssen wir nur noch mutiger werden.
-Ist das Ihr Fazit nach der Hinrunde: Man muss mutiger werden?
Ja. Wir können sehr zufrieden mit der Hinrunde sein, es macht unglaublich Spaß mit dieser Mannschaft, die individuell noch stärker als im Vorjahr ist. Wir haben Breite und viel Qualität. Im Verlauf der Runde wurden wir immer stärker. Schade, dass wir gegen Wolfsburg jetzt ausgerechnet unser schlechtestes Spiel hatten. Unser Kombinationsspiel ist viel besser geworden, nur die Effizienz vor dem Tor fehlt noch. Wir haben mehr Tore als letztes Jahr geschossen, aber es könnten noch mehr sein.
-Ist die Meisterschaft schon abgehakt?
Unser Ziel vor der Saison lautete, sich wieder für die Champions League zu qualifizieren. Wir wollen an Wolfsburg dranbleiben. Es ist noch alles drin, nichts entschieden. Die unteren Vereine haben aufgeholt und holen auch gegen die Großen immer wieder Punkte. Wir sind hellwach und warten auf unseren Moment. Ich bin kein Verlierertyp, ich hasse es, zu verlieren – da möchte ich mein Team auch weiter antreiben.
-Wie fällt Ihr persönliches Fazit aus? Ein Halbjahr fehlten Sie verletzt, seit Sommer werden Sie Ihrer Führungsrolle gerecht.
Ich lasse nie den Kopf hängen und kämpfe mich immer wieder nach oben. Meine Liebe zum Fußball treibt mich an. Dieses Jahr habe ich es wieder mal geschafft, auf mein Niveau zurückzukommen, das gibt Kraft für die Zukunft. Meine Geschichte ist noch nicht zuende erzählt. Ich bin 32, fühle mich aber fit und will bis nach der WM 2019 in der Nationalelf spielen und danach gerne noch ein paar Jahre beim FC Bayern. Verletzungen halten mich so schnell nicht auf.
-Stichwort Nationalelf, für die Sie heuer Ihr 100. Länderspiel gemacht haben: Muss 2018 das Jahr der Wiedergutmachung werden?
Das weiß ich nicht. Man muss mal den Rucksack ablegen, mit dem, was war, und nach vorne schauen. Das 4:0 gegen Frankreich war ein erster Schritt. Wir müssen zu unseren alten Stärken finden: Disziplin, Leidenschaft, Kampfkraft. Ich denke, die Sinne sind jetzt wieder geschärft. Die EM lief nicht nach Plan, das ist klar, aber jetzt muss sich jede Einzelne neue Ziele setzen. Es geht in Richtung WM 2019, und vielleicht ist es auch mal ganz gut, dass wir diesen Sommer frei haben. Das Programm in den vergangenen Jahren war schon sehr voll, viele Spielerinnen sind an ihr Maximum gegangen. Es ist gut, mal die Speicher aufzufüllen. Bis zur WM sind es nur noch eineinhalb Jahre – die gehen schneller vorbei, als man schauen kann.
-Wünschen Sie sich, dass die Kritik an Bundestrainerin Steffi Jones aufhört?
Es ist immer so, dass der Chef als Erstes an den Pranger gestellt wird. Die Kritik an der Nationalelf war gerechtfertigt, das muss man zugeben. Aber ich glaube, dass wir wieder zu alter Stärke zurückfinden.
-In Norwegen hat der Verband entschieden, künftig Männern und Frauen die gleichen Prämien zu zahlen. Fordern Sie in Deutschland gleiche Verhältnisse?
Ich kann nichts über die Vorgänge im norwegischen Verband sagen. Bei uns ist es so, dass wir viele Titel gewonnen haben und dafür immer angemessener belohnt worden sind. Das ist gut so, das haben wir uns auch verdient. Beim DFB herrscht eine gesunde Basis im Sinne von Geben und Nehmen. Wir haben keinen Grund, uns zu beschweren. Wichtig wäre, wenn sich noch mehr Sponsoren für den Frauenfußball finden. Es wird noch viel zu wenig von den Unternehmen gemacht, da würde ich mehr Mut wünschen.
-Die Zeiten, dass es für einen WM-Sieg ein Kaffeeservice gibt, sind auf jeden Fall vorbei.
(lacht) Ja, zum Glück. Das ist gefühlte 500 Jahre her.
Interview: Andreas Werner