„Es macht wieder Spaß, 1860-Fan zu sein“

von Redaktion

Vereinschef Robert Reisinger über das Verhältnis des Klubs zu Ismaik, Fausers Abschied und die Aufstiegshoffnung

München – Mit dem Jahrhundert-Absturz des TSV 1860 von der 2. in die 4. Liga vollzog sich auch an der Vereinsspitze ein Wechsel. Als Nachfolger des zurückgetretenen Peter Cassalette wurde am 3. Juni der Münchner Robert Reisinger zum neuen Vereinspräsidenten gewählt. Der Vereinschef nahm im Interview nun Rückschau auf das historische Krisenjahr der Löwen.

-Herr Reisinger, wie ist Ihr Fazit für das Löwen-Jahr 2017?

Ein heftiges Jahr mit dramatischen Ereignissen hat ein sportlich versöhnliches Ende genommen. Die erste Mannschaft ist Tabellenführer in der Regionalliga Bayern und hat alle Chancen auf die Aufstiegsrelegation. Die Rückkehr nach Giesing hat verschüttetes Potenzial in vielen Bereichen freigesetzt. Es macht wieder Spaß, Löwenfan zu sein. Mit Hilfe von Partnern und Sponsoren haben wir die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass ein sportlicher Aufstieg auch finanziell machbar ist.

„Ich lauere nicht auf Fehler von Ismaik“

-Ihr Vorgänger Peter Cassalette hat in einem Interview jüngst angemerkt, dass der Verein den Hoppen-Antrag auf Kündigung des Kooperationsvertrags mit Hasan Ismaik hätte verhindern müssen. Was sagen Sie dazu?

Das offenbart ein seltsames Demokratieverständnis, mit dem ich nichts anfangen kann. Eine Bevormundung der Mitglieder sieht die Satzung nicht vor. Das ist für mich auch keine Strategie. Dahinter steckt die, mit Verlaub, naiv wirkende Vorstellung, wäre man nur lieb genug zum reichen Onkel gewesen, hätte der die Party schon weiter bezahlt. Wir müssen doch nicht so tun als hätte es keine Konflikte gegeben. Die Auseinandersetzung war nach dem doppelten Abstieg vor aller Augen überdeutlich. Wenn dann Mitglieder sagen, wir wollen das so nicht mehr haben, respektiere ich dieses Signal. Umgekehrt müssen die Mitglieder damit leben, wenn die Gremien nach Prüfung empfehlen, das nicht zu tun und wir dann den Wunsch nicht umsetzen.

-Die Kritik kommt von allen Seiten. Die einen halten Sie nicht für hart genug, um Ismaik Paroli zu bieten, die anderen fordern mehr Entgegenkommen. Wie lebt es sich zwischen den Stühlen?

Nicht so unkomfortabel wie Sie vielleicht vermuten. Ich bin es beruflich gewohnt, verschiedene Seiten zusammenzubringen und Lösungen zu erarbeiten. Von Mitgliedern und Fans, mit denen ich bei Versammlungen, Fanklub-Besuchen und anderen Treffen in Kontakt komme, erhalte ich ein weit positiveres Feedback als in anonymen Kommentaren im Internet.

-Glauben Sie, dass es eine Lösung für 1860 mit Ismaik geben kann und wenn ja, wie könnte sie aussehen?

Klar ist, so wie das in der Vergangenheit gelaufen ist, macht es für keinen der beiden Gesellschafter Sinn. Wir müssen das Verhältnis zueinander neu justieren. Dazu gehört für mich auch, von dieser emotionalen Ebene runter zu kommen. Herr Ismaik hält 60 Prozent der KGaA und ich habe von Anfang an für eine Zusammenarbeit geworben. Die Türen sind nicht zu. In der Vergangenheit haben in manchen Phasen unterschiedliche Vorstellungen existiert, wie unsere Partnerschaft gelebt werden kann. Trotzdem wollte jeder – und das unterstelle ich auch Hasan Ismaik – das Beste für den TSV 1860 München. Ausnahmslos! Der Verein hat seit 2011 in unterschiedlichster personeller Konstellation versucht, ein gutes Einvernehmen mit unserem Mitgesellschafter herzustellen. Als Präsident war nahezu jeder Charaktertyp darunter. Das Ergebnis war für beide Seiten nicht befriedigend. Jetzt bin ich an der Reihe. Wunder kann ich keine versprechen, aber ein ehrliches Bemühen.

-Aus der Pressemitteilung zum Nichtaufkündigen des Kooperationsvertrags war herauszulesen, dass dieser Schritt womöglich nur aufgeschoben ist. Übersetzt bedeutet das wohl: Man wartet nur ab, bis Ismaik ein entscheidender Fehler unterläuft. Oder ist diese Interpretation völlig abwegig?

Hasan Ismaik schützt so gut wie möglich sein Investment. Ich schütze so gut wie möglich den e.V.. So ist die Rollenverteilung in diesem Spiel. Da kann es im einen oder anderen Fall zu Konflikten kommen. Aber das gilt es auszuhalten und auch nicht allzu persönlich zu nehmen. Wir haben uns nach ausführlicher rechtlicher Beratung dazu entschieden, den Beschluss unserer Mitglieder nicht umzusetzen. Ich versichere Ihnen, ich lauere nicht auf Fehler unseres Mitgesellschafters, sondern ich lauere auf Chancen, die verfahrene Situation für alle Beteiligten zu verbessern.

„Sechzig wird sich sicher nicht an einer Klage gegen 50+1 beteiligen“

-Werden Sie im nächsten Jahr versuchen, mit Ismaik besser zusammen zu arbeiten?

Die Gesellschafter haben gemeinsam eine Restrukturierung vorgenommen. Ohne diese wäre ein sportlicher Neustart in der Regionalliga gar nicht erst möglich gewesen. Soweit hat die Zusammenarbeit also durchaus funktioniert. Es darf übrigens niemand erwarten, dass unsere Probleme wie von Zauberhand verschwinden, weil plötzlich irgendein Mr. X das Ruder übernimmt. Darum müssen wir uns schon selbst kümmern. Diese Sehnsucht nach dem einen starken Mann, der alles kann und alles regelt, ist meiner Meinung nach beim TSV 1860 ein großer Teil des Problems und nicht der Lösung. Die vermeintlichen Erlöser mit großem Namen und ebensolchem Salär haben sich bei uns gegenseitig die Klinke in die Hand gegeben. Das waren nicht lauter Trottel. Aber keiner von ihnen bekam die nötige Zeit, um strukturiert und mit Perspektive arbeiten zu können. Alle sollten immer sofort liefern. Das ist aber unmöglich im Sport. Ausgerufene 3-Jahres-Pläne schrumpften bei uns über Nacht zu 3-Monats-Übungen. Wenn das endlich verstanden und auch im Umfeld des TSV 1860 akzeptiert wird, dann ist schon viel gewonnen.

-Hatten Sie Kontakt mit Gerhard Mey? Wie ist der Stand?

Dazu kann ich keine Angaben machen.

-Wie viele schlaflose Nächte bereitet Ihnen Ismaiks Feldzug gegen 50+1?

Ich denke nicht, dass man hier von einem Feldzug sprechen sollte. Die Meldung, dass unser Mitgesellschafter beim Bundeskartellamt vorstellig wurde, kenne ich auch nur aus der Presse. Schlaflos bin ich deshalb nicht. Der TSV 1860 wird sich während meiner Amtszeit sicher nicht an einer Klage gegen die 50+1-Regelung beteiligen. Wir suchen keine juristische Auseinandersetzung mit dem DFB, der DFL oder dem BFV. Man kann über diese Frage durchaus unterschiedlicher Ansicht sein. Aber: Eine Klärung, ob 50+1 im Deutschen Fußball weiterhin bestehen soll, kann nur in gemeinsamen Abstimmungen der Vereine mit den Verbänden besprochen und dann mehrheitlich entschieden werden.

-Sie haben kürzlich bestätigt, dass Markus Fauser zeitnah als Geschäftsführer aufhört. Musste er, wollte er oder sollte er? Und stimmt es, dass ihn Michael Scharold beerben wird?

Ein Interims-Manager wie Herr Fauser ist immer nur für begrenzte Zeit im Einsatz. Sein Ausscheiden nach getaner Arbeit ist ein normaler Vorgang und keine Überraschung. Herr Fauser wird die Geschäfte gut geordnet demnächst an seinen Nachfolger übergeben, den die Gesellschafter dann gemeinsam vorstellen. Dem möchte ich nicht vorgreifen.

„Es schadet nicht, wenn Herr Hoeneß eine Weile nicht über 1860 nachdenkt“

-Daniel Bierofka wünscht sich sehnlichst einen Sportchef, es heißt aber, das Präsidium sei dagegen. Fehlt es eher am Geld oder an Willen?

Bierofka hat doch bereits klar gestellt, dass sein Wunsch nach einem Sportchef in die Zukunft und auf die 3. Liga gerichtet war – das ist auch unsere Meinung. Darüber hinaus müssen Strukturen geschaffen werden, die unabhängig von Namen und Personen funktionieren. Das muss das oberste Ziel sein.

-Uli Hoeneß hat letztens gesagt: „Wir haben beim FC Bayern beschlossen, über Sechzig nicht mehr nachzudenken, weil wir keinen Verein in klaren Konturen erkennen können.“ Hat er damit Recht?

Es schadet nicht, wenn Herr Hoeneß mal eine Weile nicht über die Löwen nachdenkt. Ich wusste gar nicht, dass er das so oft tut. Der TSV 1860 München ist ein Verein mit Ecken und Kanten.

-Was wünschen Sie sich im neuen Jahr? Was sind Ihre Vorsätze?

Für den TSV 1860 und seine Mitglieder und Fans wünsche ich mir ein weniger turbulentes Jahr, bei dem vor allem der Sport im Vordergrund steht. Allen unseren Spielern eine verletzungsfreie Saison und hoffentlich im Sommer mit allen zusammen eine schöne Aufstiegsfeier.

Das Interview führten: Florian Fussek, Uli Kellner, Ludwig Krammer

Artikel 1 von 11