Innsbruck – Richard Freitag war mit seiner Leistung sichtlich zufrieden. Ein herzhaftes Lachen und zwei nach oben gereckte Daumen zeigten dies deutlich. 125 Meter weit war er bei schwierigen Bedingungen auf der windumtosten Bergiselschanze geflogen. Das bedeutete Platz drei. Hinter dem Japaner Junshiro Kobayashi und Kamil Stoch, dem Führenden in der Zwischenwertung der Vierschanzentournee. Dem 26-jährigen Deutschen liegt die Schanze. „Ich bin sehr gut vom Schanzentisch weggekommen“, sagte der Springer: „Ich freue mich extrem auf den Wettkampf, ich habe noch Reserven.“ Auf der Olympiaschanze fühlt er sich wohl. Vor drei Jahren hatte er in Tirol seinen bislang einzigen Sieg bei einem Tourneespringen erzielen können. Damit geht heute (14 Uhr, ZDF und Eurosport live) das Duell Stoch gegen Freitag weiter. „Ritschi springt nach wie vor auf einem sehr hohen Niveau“, lobte Bundestrainer Werner Schuster.
Der Flugkünstler aus Erlabrunn scheint sich nun endlich zu jener hochklassigen Konstanz gefunden zu haben, die ihm mancher schon nicht mehr zugetraut hatte. Auch Bundestrainer Schuster zweifelte bereits stark am jetzigen Paradespringer. Noch im Oktober erklärte er: „Dann haben wir immer noch Richard Freitag im Hintergrund, obwohl er noch jung ist, liegt seine allerbeste Zeit schon ein wenig zurück.“ Rückendeckung sieht anders aus.
Doch Freitag, 26, hatte im Frühjahr für sich entschieden, sich von seiner heimischen Wohlfühloase in ein Reizklima zu begeben. Er wechselte den Wohnort, schlug seine Zelte in Oberstdorf auf. „Ich bin ein Erzgebirgler im Allgäu“, sagt er. Mit der neuen Herausforderung wuchs er als Persönlichkeit. Für seinen verletzten Kollegen Severin Freund ist Freitags aktuelle Topform keine Überraschung: „Es war ein Frage der Zeit, bis es aufgeht. Es müssen die Dominosteine nur in die richtige Richtung umfallen.“
Im Allgäu fand Freitag nicht nur eine neue Heimat, sondern auch einen neuen Trainer. Bernhard Metzler, Coach des B-Kaders, kümmerte sich fortan um den talentierten Athleten, dem mangelnder Biss nachgesagt wurde. Der als extrem akribischer Arbeiter geschätzte Metzler sagt, dass er gleich einen guten Draht zu Freitag gefunden hab, „weil ich ihn vorher nicht kannte und ihm dadurch unvoreingenommen begegnen konnte“.
Der 38-jährige Österreicher erkannte sofort das Defizit in Freitags Sprungsystem: der Absprung. Daran haben die Zwei im Herbst intensiv gearbeitet. „Richard bringt sehr viel Dynamik mit, hatte aber diesbezüglich immer wieder zu kämpfen“, sagt Metzler. Die Schwierigkeit sei es gewesen, diese Kraft in ein gutes und stabiles Flugsystem zu bekommen, das er auf jeder Schanze abrufen könne.
Nicht nur auf der Schanze verstehen sich Freitag und Metzler hervorragend. „Ich kann mit ihm auch mal abseits über verschiedene Dinge reden“, sagt Metzler. Weil der Nachwuchstrainer nur an den beiden deutschen Stationen vor Ort war, stehen die beiden während der weiteren Tournee in telefonischem Kontakt.
Nicht nur auf Richard Freitag war das Programm am Ruhetag nach Neujahr abgestimmt. Auto-Ausrüster Audi bot dem deutschen Team auf einem zugefrorenen See nahe des Teamhotels in Seefeld ein Fahrtraining an. Und Freitag und seine Kollegen wirbelten auf dem rutschigen Untergrund mächtig Schneeflocken auf. Auch bei den kleinen Wettbewerben um Pylonen herum packte den aktuellen Tournee-Zweiten der Ehrgeiz. Er war der Beste. Dieser würde Freitag gerne auch heute beim Springen sein. Die Voraussetzungen hat er in der Qualifikation geschaffen.