In der Zwickmühle

von Redaktion

Der EHC München hat mit Kevin Reich einen talentierten Torhüter, aber zu wenig freie Spielzeit

von Christopher meltzer

München – Als das Spiel bereits gewonnen war, musste Kevin Reich noch ein letztes Mal improvisieren. Die Fans in der Olympiahalle forderten den jungen Torwart des EHC München auf, ihnen eine kleine Show zu bieten. Also führte Reich einen flotten Tanz vor, der mit einem Spagat endete.

„Ich wusste nicht genau, was ich machen sollte“, gab Reich später zu. Er habe sich in den vergangenen Tagen zwar die Jubeleinlagen anderer Torhüter angesehen, diese aber nicht geprobt. „Das ist dann halt hängengeblieben.“

Nun spricht es für das Selbstvertrauen Reichs, dass er sich überhaupt mit einem Siegestanz befasst hat. Im Kader der Adler Mannheim, die am Dienstagabend in München antraten, tummeln sich nämlich viele Elitestürmer, zum Beispiel Marcel Goc und Andrew Desjardins, die in ihrer Karriere gemeinsam mehr als 1000 NHL-Spiele vorweisen können. Kevin Reich, 22, dagegen durfte das erste Mal seit fast vier Jahren wieder eine Partie in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) bestreiten. Trotzdem sagte er: „Ich wollte unbedingt den Sieg.“

Weil Reich 30 von 31 Adler-Schüssen abwehrte, bezwang der EHC München den Tabellenzehnten Mannheim dann auch ziemlich deutlich mit 4:1. „Ich war sehr nervös bis zum ersten Schuss“, gestand der Goalie, „danach war es aber gut.“

Diese Ansicht teilten die 9650 Zuschauer in der nicht ganz ausverkauften Olympiahalle, die Reich am Ende einen Sonderapplaus spendeten. Auch Trainer Don Jackson flüsterte ihm in den Katakomben noch ein paar Worte der Anerkennung zu. Vor drei Wochen hatte Jackson seinem Torwart mitgeteilt, ihn gegen Mannheim einsetzen zu wollen. „Er hatte eine Chance verdient“, erklärte der Trainer. Im Oktober hatte er ihn bereits im letzten Vorrundenspiel der Champions Hockey League eingesetzt.

Ansonsten vertraut Jackson jedoch David Leggio und Danny aus den Birken. Reich, die Nummer drei der Torhüter-Hierarchie, sammelt seine Spielpraxis in der zweiten Liga beim Münchner Kooperationspartner SC Riessersee. Einmal pro Woche trifft er sich zusätzlich mit Jacksons Co-Trainer Patrick Dallaire.

„Er hat sich sehr entwickelt. Als Spieler wie auch als Persönlichkeit“, sagte Jackson. Nachdem Reich drei Jahre in der amerikanischen Juniorenliga verbracht hatte, will ihn der EHC an die DEL heranführen. „Wir verfolgen immer einen langfristigen Plan“, beteuerte Jackson. Der Meistertrainer glaubt, dass Reich „the real deal“ sei. Eine richtig große Nummer. Am Fall Kevin Reich offenbart sich allerdings auch die große Zwickmühle, die der Umgang mit dem Nachwuchs für den Verein darstellt. Red Bull steckt viel Geld in die Talentförderung. In Salzburg hat das Unternehmen sogar eine eigene Hockeyakademie errichtet. Weil das Spielniveau der DEL-Mannschaft in München aber stets zunimmt, fällt es den jungen Spielern schwer, sich im Kreis der Profis zu bewähren. Dass der EHC auch kostspielige Transfers nicht scheut, verschärft das Problem nur.

Reich versteht dieses Dilemma. An David Leggio und Danny aus den Birken wird er vorerst nicht vorbeikommen. Sie beanspruchen ihre feste Spielzeit. Trotzdem drängt er in die DEL. Er hoffe, dass er in München eine Chance bekomme, sagte er am Dienstag. „Es ist schwer, aber ich sage Mal: Nichts ist unmöglich.“

Am Tag nach seinem großen Auftritt reiste Reich gestern übrigens nach Bietigheim. Mit dem SC Riessersee bestritt er dort das Spitzenspiel der zweiten Liga.

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