Bischofshofen – Kamil Stoch war gerade von seiner Luftfahrt gerade erst in den Schnee von Bischofshofen zurückgekehrt, das finale Urteil der Jury ließ noch auf sich warten, da wusste Sven Hannawald schon ganz genau, wohin sein Weg nun zu führen hatte. Der frühere Ausnahmespringer kletterte von seinem Kommentatorenplatz hinunter, stürmte in den Auslauf der Paul-Außerleitner-Schanze und herzte den Mann, der ihm gerade seine Einzigartigkeit genommen hatte. „Eure Namen sind nun für immer untrennbar miteinander verbunden“, krähte der Stadionsprecher ins Mikrofon.
Bis zu diesem Tag war Hannawald in 65 Auflagen der Einzige gewesen, der die Tournee mit vier Tagessiegen hatte bezwingen können. Und nun tat es ihm Stoch also gleich. Wie viel Kraft dem polnischen Routinier die Sache gekostet hatte, konnte man nach dem 137-Meter-Flug erahnen, mit dem er seinen Coup knapp ins Ziel brachte. Rücklings kippte Stoch da in den Schnee. Wenig später auf dem Siegerpodest flossen die Tränen. „Was mir da gelungen ist, ist unbegreiflich“, meinte er sichtlich ergriffen.
Über die gesamte Tournee hinweg hatte Stoch alle Gespräche über den Flug in die Historie konsequent verweigert. Man kennt das ja, in diesen strapaziösen Tagen zwischen Oberstdorf und Bischofshofen entwickeln viele Spitzenspringer eine Art persönliches Mantra. „Ich mach’ mein Zeug“, wiederholte einst Hannawald neun Tage lang. Stoch hingegen wollte einfach „Skispringen – den Sport machen, den ich liebe“.
Hat ja ganz gut geklappt. Auch wenn man das in diesem Ausmaß kaum hatte erahnen können. Selbst nach dem Auftaktsieg in Oberstdorf nicht, bei dem er anders etwa als viele Rivalen mit den Winden im Bunde war. Deutschlands Bundestrainer Werner Schuster staunte: „Es ist interessant, was dieser Sport dann manchmal für eine Dynamik entwickelt.“
Bei seinem Schützling Andreas Wellinger etwa lief es zunächst umgekehrt. Der Münchner quälte sich in Oberstdorf in die Tournee. Bekam aber mit dritten Plätzen in Innsbruck und Bischofshofen umso eindrucksvoller die Kurve, beendete das Turnier als Zweiter und fand: „Ich bin ein geiler Typ.“
Wobei er wohl wusste: Es wird eine Randnotiz dieser 66. Vierschanzentournee bleiben. Weil Kamil Stoch letztlich alles überstrahlte. Wobei, was heißt überstrahlte? Der fliegende Pole, der am Wochenende zu Polens Sportler des Jahres 2017 gekürt wurde, ist keine glamouröse Figur. Er tut öffentlich, was sich gehört. Stellt sich zumindest mal für ein Weilchen der großen Fangemeinde, die aus der Heimat in Richtung Österreich strömte. Interviews gibt er wenige, der Mann hält sich lieber im Abseits. Die eigenen Geschäfte hält Stoch – es passt ins Bild – in der Familie. Ehefrau Ewa ist auch seine Managerin.
Einzig beim Pokern mit den Teamkollegen, so verriet er dieser Tage, gerät auch er manchmal auf Abwege. Er könne zwar nicht so gut mogeln wie manch andere, sagte er da, aber es könne schon auch einmal vorkommen, dass „ich mir ein As in den Ärmel schiebe“.
Aber wahrscheinlich ist auch das eines seiner Erfolgsgeheimnisse. Stoch weiß wohl auch aus der langjährigen Erfahrung, was er tun muss, um sich die Kräfte für die Arbeit auf der Schanze zu bewahren. Das ist anders als beim Slowenen Peter Prevc, der vor zwei Jahren die Konkurrenz in Grund und Boden sprang und sich dann aber von der geballten Zuneigung in der Heimat aus dem Tritt bringen ließ.
Für Sven Hannawald allerdings würde auch Kamil Stoch eine Ausnahme machen. Der deutsche Veteran hatte dieser Tage scherzhaft erklärt, er werde den Polen auf ein Bier einladen, falls er es tatsächlich in den bislang ziemlich einsamen Klub der Vierfachsieger bringen würde. Stoch sagte dazu schmunzelnd: „Auf diese Einladung warte ich noch.“