Doha – Robert Lewandowski sah sich nicht den gesamten Test am Samstagabend an, aber in diesem einem Moment stand der angeschlagene Torjäger des FC Bayern in Jogging-Schuhen hinter der Ersatzbank. Es lief die 38. Minute der Partie gegen den katarischen Erstligisten Al-Ahli SC, Sandro Wagner hatte bis dahin vier hochkarätige Chancen ausgelassen – aber der eine Kopfball saß. Der Neuzugang freute sich über sein Premierentor im ersten Spiel, Lewandowski nahm es zur Kenntnis. Dann verließ er das provisorische Stadion auf der Aspire Academy, um weiter an seiner eigenen Fitness zu arbeiten.
Das Knie zwickt nach wie vor, wie Mats Hummels (Adduktorenprobleme) konnte der Pole an keiner der acht Trainingseinheiten des Kurz-Trainingslagers der Bayern teilnehmen. Joshua Kimmich, der mit einer Mandelentzündung und muskulären Problemen kämpfte, stieg immerhin gestern – am Abreisetag – wieder ein. Eng aber wird es bis zum Rückrundenstart am Freitag in Leverkusen für das gesamte Trio. Obwohl Jupp Heynckes hofft, dass alle Angeschlagenen morgen Vormittag wieder bei vollen Kräften sind, kann Hummels sich „kaum vorstellen“, dass drei Tage Training reichen. Die besten Chancen hat wohl noch Kimmich, der auf dem Heimflug nicht mehr ganz so blass um die Nase war. Anstelle von Lewandowski dürfte Wagner gleich zu seinem Pflichtspiel-Debüt kommen.
Heynckes sieht den 30-Jährigen schon nach wenigen Tagen als „gut eingegliedert“ und sagte: „Er kann für uns ein wichtiger Spieler werden.“ Beim 6:0 gegen Al-Ahli – die weiteren Treffer erzielten Corentin Tolisso (51.), Arjen Robben (57.), Kingsley Coman (67.), Niklas Dorsch (73.) und Niklas Süle (88.). – war er in der ersten Halbzeit einer der auffälligsten Bayern-Akteure. Er forderte den Ball, brauchte ein wenig Anlaufzeit, war aber dann zur Stelle, als ein Tor auch dringend nötig war. Wagners Auftritt wird ähnlich in Erinnerung bleiben wie jener von Arjen Robben, der das Bayern-Spiel nach einem beinahe Komplett-Wechsel in der zweiten Halbzeit (lediglich Tolisso spielte durch) belebte, als würde er nicht in wenigen Wochen 34, sondern höchstens 24 Jahre alt werden.
Dass Robben alles aus sich herausholt, gehört dazu zur alljährlichen Reise nach Katar, denn meist geht es im Winter um die Verlängerung seines Vertrages. In den sechs Tagen habe er heuer – genau wie Franck Ribery (34) – zwar „noch keinen Kaffee mit Hasan Salihamidzic getrunken“. Der Sportdirektor konnte sich aber vom Stellenwert des Flügelflitzers überzeugen. Nun liege es am Verein, sagte Robben: „Der muss machen, was er für richtig hält.“ Heynckes gab indirekt schon eine Empfehlung ab, indem er darauf hinwies, „dass die beiden über viele Jahre Großartiges geleistet haben“. Leistung sei „altersunabhängig“. Der 72- Jährige ist „felsenfest davon überzeugt, dass die beiden eine gute Rückrunde spielen werden“. Was dann passiere, liege „nicht in meinen Händen“.
Immerhin zählt Heynckes’ Wort in diesem Verein. Und bei den regelmäßigen Treffen („fixe Termine“), die in den kommenden Wochen und Monaten mit Karl-Heinz Rummenigge, Uli Hoeneß, Salihamidzic und weiteren Verantwortungsträgern anstehen, wird er gerne kontrovers diskutieren. „Es stehen wichtige Entscheidungen an“, sagte er in Doha und meinte damit nicht nur jene um den im Sommer (womöglich) vakanten Trainerposten. Auch der Einkauf von Leon Goretzka wird Konsequenzen haben. Für diesen Winter aber versicherte Heynckes, dass man Arturo Vidal nicht abgeben werde. Bei hohen Zielen in drei Wettbewerben wird jeder Mann benötigt.
Heynckes geht es zwar zu weit, vom „Gefühl aus dem Triple-Jahr“ zu sprechen, er lobte aber den „überragenden Teamgeist“ sowie „die super Stimmung“ und wies darauf hin, dass die Qualität des Trainings auch unter den Profi-Mannschaften dieser Welt „nicht alltäglich“ sei. Tatsächlich hat sich in der kurzen Zeit in der Sonne so gut wie jeder reingehängt, es wurde intensiv geübt, viel geschwitzt, der Fokus galt ausschließlich dem Training. Marketing-Aktivitäten fanden so gut wie keine statt.
Dass Heynckes sich selbst als „Perfektionist“ bezeichnete, der „nie zu zufrieden ist“, kann nur gut sein, um noch einen weiteren Schritt nach vorne zu machen. Trotz allen Lobes sagte er nämlich: „Es gibt andere Teams, die vielleicht eher Favorit auf die Champions League sind als der FC Bayern.“ Und mit Verlaub: Al-Ahli war kein Gradmesser. Auch nicht für Sandro Wagner.