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Keine Zeit für Freundschaftsdienste

von Redaktion

Johannes Lochner muss sich an diesem Wochenende auf eine Olympia-Flotte festlegen

München – Seit gestern ist auch Johannes Wallner in Berchtesgaden, und wer den Tiroler ein bisschen kennt, weiß, dass er sich am Fuße des Watzmann eigentlich sehr wohl fühlt. Im Weinkeller der Familie Lochner sind launige Stunden garantiert, auf der Bahn lief es für den Bob-Bauer vor allem bei der WM im vergangenen Jahr hervorragend. Aber diesmal ist das Gefühl ein anderes, wenn am Freitag der letzte Weltcup des Winters ansteht. Beim Saisonfinale, das gleichzeitig die Generalprobe für die Olympischen Spiele ist, geht es für Wallner neben dem sportlichen Erfolg um die Ehre – verbunden mit der Entscheidung, ob seine Flotte gut genug ist, in Pyeongchang Medaillen zu garantieren. Oder eben nicht.

„Wie das alles gelaufen ist, stinkt ihm wie die Sau“, sagt Johannes Lochner über Wallner, er versichert: „Der Hannes, der tüftelt in jeder Sekunde weiter.“ Weil es im neuen Viererbob bestens läuft – Lochner fuhr am vergangenen Wochenende in St. Moritz seinen vierten Weltcup-Sieg ein und steht auf seiner Heimbahn vor dem Gewinn der Disziplinwertung –, gilt die Konzentration aktuell ausschließlich dem kleinen Schlitten. Also jenem Gerät, das bislang auf ganzer Linie enttäuschte.

Serien-Weltmeister Francesco Friedrich wechselte schweren Herzens zum Konkurrenten FES, das kam für Lochner „nicht infrage“. Der Berchtesgadener aber war im vergleichsweise langsamen Wallner-Bob ebenso derart verzweifelt (ein vierter Platz stand als bestes Saisonergebnis), dass er in St. Moritz einen Schlitten des lettischen Hersteller BTC testete. Immerhin kam er mit dem„Anfängergerät, das „leicht zu fahren ist“, erstmals in diesem Winter auf das Podium. „Schnell“ sei das Ding, sagt er, „es verzeiht viele Fehler“. Die Woche wird zeigen, ob der kurzfristige Deal („der Schlitten war gerade frei“) womöglich die Lösung für Pyeongchang sein könnte.

Dass alles am Ende Spitz auf Knopf entschieden werden muss, war nicht der ursprüngliche Plan. Die Doppellösung mit Wallner und dem FES sollte den Piloten eigentlich die nötige Sicherheit geben, um bei den Spielen in Topform und auf dem besten, individuell angepassten Material in die Spur zu gehen. Gelungen ist das den „Wallner-Jungs“, wie Bundestrainer Rene Spies die beiden Vierer-Weltmeister Lochner und Friedrich gerne nennt, nur im großen Schlitten. Dort, sagt Lochner, „habe ich mich selbst zum Gold-Favoriten gemacht“. Vier Siege erhöhen einerseits den Druck, andererseits sei die Situation dem 27-Jährigen „so lieber“. Er wisse, „dass die anderen wissen, dass ich Fehler machen muss“.

Diesen Status zu untermauern, ist das Ziel für das Heimspiel an diesem Wochenende. Für Lochner ist der Weltcup wenige Meter vor seiner Haustür „vielleicht sogar das größere Highlight als die Olympischen Spiele“. Im Zielauslauf der Bahn in Schönau „kenne ich so gut wie jeden“, in Pyeongchang „werden meine Eltern sein, sonst fast niemand“. Er freut sich auf „Gänsehaut pur“ und im Idealfall noch mehr Selbstvertrauen für die große Reise.

Dass er auf dem Weg nach Südkorea keine Kompromisse eingeht, hat Lochner schon in der Vorwoche gezeigt. Denn die Entscheidung für Christopher Weber als Zweier-Anschieber war auch gleichzeitig eine gegen seinen Freund und Stamm-Hintermann Joshua Blum. „Die Situation ist angespannt“, gibt er zu, „aber die Startzeiten ließen mir keine andere Wahl.“ Wallner bezeichnet Lochner übrigens auch gerne als „guten Freund“. Aber im Moment ist keine Zeit für Freundschaftsdienste. hanna raif

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