von Redaktion

Kitzbühel – Während des Gespräches bekommt Didi Ziesel einen Anruf vom Kitzbüheler Bürgermeister. Hochzeit genehmigt, Ziesel (61) darf seine Verlobte im Juni im Starthaus der Streif heiraten. „Ich habe sie hier beim Hahnenkamm-Rennen kennengelernt, da passt das super“, freut sich Ziesl. Bevor er das Ja-Wort gibt, steht jetzt ein wortreiches Wochenende bevor: Ziesel, im Hauptberuf Englisch- und Sport-Lehrer in Saalfelden, kommentiert zusammen mit PR- und Eventmanager Stefan Steinacher (42) aus Fieberbrunn Skirennen als Platzsprecher – heuer bereits zum elften Mal die Hahnenkamm-Rennen.

-Herr Steinacher, Herr Ziesel, wieviel Tee mit Honig brauchen Sie an so einem Wochenende, um die Stimme geschmeidig zu halten?

Ziesel: Gar keinen. Mein Rezept ist: Nie dran denken, dass die Stimme versagen könnte. Und nach dem Rennen eher a bisserl Alkohol …

-Herr Steinacher, Sie wollten ja selbst mal Ski-Profi werden.

Ziesel: Da ist einiges schiefgelaufen …. (lacht)

Steinacher: Ich habe am Skigymnasium Stams die Aufnahmeprüfung nicht geschafft. Mein Papa hat erzählt, dass sie statt mir einen Japaner genommen haben, um die Ausländerquote zu halten. Ich hatte aber heuer mein Highlight, als ich das Jubiläum 50 Jahre Stams moderieren durfte.

-Was waren die bewegendsten Momente in ihrer Kommentatoren-Zeit am Hahnenkamm?

Ziesel: Leider die unerfreulichen Ereignisse. Der Sturz des Schweizers Daniel Albrecht, der Sturz von Hans Grugger, das hat sich schon eingebrannt ins Hirn (beide rangen mit dem Tod, erlitten ein Schädel-Hirn-Trauma). Man lebt mit den Athleten mit. Da herrscht bei uns in der Kabine schon auch Emotion pur, es ist ja nicht so, dass man das einfach so runtermoderiert. Man leidet mit, man freut sich mit.

Steinacher: Der Weltcup vor zwei Jahren mit den vielen Stürzen (darunter Aksel Lund Svindal/Anm. d. Red), das war schon schwierig. Einerseits soll man Stimmung machen, andererseits ist man selber betrübt.

Ziesel: Für mich war Daniel Albrecht der bewegendste Moment. Vor dem Rennen haben wir noch geplaudert, dann liegt er da vor dir und rührt sich nimmer.

-Und die schönen Momente?

Steinacher: Die Erfolge von Didier Cuche waren genial. Und auch die von Felix Neureuther (gewann 2010 und 2014/ d. Red). Den mag jeder gerne. Für uns alle ist er ein Jackpot. Der gibt Storys her, der sagt was, der ist emotional. Wenn Felix in Kitzbühel gewinnt, dann kann dem Skisport nichts besser passieren.

-Und wenn er fehlt wie diesmal?

Steinacher: Dann fehlt er. Andere fehlen nicht, wenn sie nicht dabei sind. Aber er fehlt definitiv.

-Bei Felix wird in Österreich immer vom Lieblingsdeutschen gesprochen …

Ziesel: Bajuwaren und Österreicher sind ja nicht so weit auseinander. Wir sind ein Volk. (lacht)

Steinacher: Felix ist einfach brutal wichtig für den Skisport. Ich habe auch in Vail in Amerika bei der WM 2015 zwei Rennen moderiert, darunter den Slalom. Es war Wahnsinn zu sehen, wie populär Neureuther in Amerika war. Die Leute lieben ihn sogar in Beaver Creek. Der Felix war in Amerika die große Nummer.

Ziesel: Felix ist auch einer, der unsere Arbeit schätzt. Der weiß, dass wir unseren Beitrag leisten, dass das Ganze ein Spektakel und Skifest wird.

-Freut man sich als Platzsprecher dann ein bisserl mehr, wenn jemand wie Felix gewinnt?

Ziesel: Nein, definitiv nicht. Wir machen keinen Unterschied. Aber er hinterlässt heuer schon eine Lücke, wenn ein Kitzbühel-Sieger in Kitzbühel fehlt.

-Hat sich Felix Neureuther angekündigt am Sonntag bei Ihnen in der Sprecher-Kabine?

Steinacher; Bis jetzt nicht, aber er ist jederzeit herzlich willkommen. Wir nehmen ihn in unsere Mitte auf …

Ziesel: … er kann gerne mit uns kommentieren.

Steinacher: Und er soll den Schweinsteiger auch noch mitnehmen.

-Das emotionale Dauer-Duell mit Marcel Hirscher fehlt …

Ziesel: Am Sonntag ist Hirscher-Mania angesagt, der große Hirscher-Hype.

Steinacher: Es ist Wahnsinn, was der Tag für Tag abruft. Manche sagen, das ist langweilig, so wie früher bei Michael Schumachers Seriensiegen, aber ich finde das eine Mega-Story.

Ziesel: Jeder sieht ihn nur am Podest stehen und jubeln, aber wenige sehen die Arbeit, die dahintersteckt. Das ist ja ein großes Team, das da hinter dem Erfolg steht. Das kann man sich nicht vorstellen als normaler Konsument eines Skirennens.

-Aber vorher kommt die Abfahrt. Wie wichtig ist es für Kitzbühel, dass auch die Deutschen in der Abfahrt wieder eine Rolle spielen?

Ziesel: Das hat auch einen Grund. Der deutsche Abfahrtstrainer Christian Schwaiger war in Saalfelden mein Schüler. Der war sogar mal österreichischer Meister.

Steinacher: Den Ferstl Pepi mag ich gerne, weil wir den gleichen Doktor haben in Bayrischzell. Andreas Sander ist einfach „die“ Geschichte: Früher hat man ihn ausgelacht, weil er gesagt hat, er will mal eine eigene Gondel in Kitzbühel. Und jetzt ist der Typ wirklich theoretisch so weit, diese Gondel zu bekommen. Sensationell! Und Thomas Dreßens Geschichte ist einfach wunderschön nach dem Schicksal mit dem Tod des Vaters in Sölden (Vater Dirk kam bei einem Seilbahnunglück ums Leben/d.Red).

Ziesel: Sander wäre eine Voll-Story! Weil er nicht aus Bayern kommt, aus keiner klassischen Skigegend (Sander stammt aus Ennepetal im Sauerland/d.Red). Deutsche Abfahrer sind für uns natürlich essentiell wichtig. Das Medieninteresse in Deutschland steigt schlagartig.

-Würden Sie gerne mal Lindsey Vonn auf der Streif kommentieren, die ja immer gegen die Männer fahren will?

Ziesel: Die Streif würde ich ihr nicht empfehlen, absolut nicht. Im Sinne der Gesundheit von Lindsey Vonn wäre das nicht klügste Entscheidung (lacht) …

Das Gespräch führte Jörg Köhle

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