Alle Uhren auf Null

von Redaktion

Nach 15 Siegen in Serie ist für Geheim-Favoritin Julia Görges bei den Australien Open in der zweiten Runde Endstation

von doris henkel

Melbourne – Im Moment, wenn der erste Ball gespielt wird, zählt nur wenig von dem, was vorher passierte. Wie lang eine Serie von Siegen war, wie man sich zuletzt im Ernstfall fühlte oder die Ergebnisse der gemeinsamen Spiele mit dem Gegner zuvor. Alles egal. Als Julia Görges also am Mittwochabend in Melbourne den ersten Aufschlag gegen Alizé Cornet ins Feld spielte, wurden die Uhren auf Null gestellt, und auf dieser Basis entwickelte sich eine überraschend klare Angelegenheit. Nach fünf Siegen in fünf Spielen gegen die Französin verlor Görges das sechste in zwei Sätzen (4:6, 3:6), und damit findet der Rest des Turniers ohne die beste deutsche Spielern des Jahres 2017 statt.

Warum, weshalb? Schwer zu sagen; zumindest, was Görges‘ Anteil betrifft. Alizé Cornet, derzeit Nummer 42 der Welt, wirkte vom ersten Moment an extrem dynamisch und konzentriert. Natürlich habe sie von der Siegesserie ihrer Gegnerin gewusst, sagte sie hinterher, wegen dieser Serie habe sie sich als Außenseiterin gefühlt, und das habe prima funktioniert. Der Gedanke, nichts zu verlieren zu haben, ist immer eine Hilfe, und mit dieser Einstellung spielte sie bis zum Schluss. Das sei grundsolide von Cornet gewesen, fand Görges hinterher. Aber hätte sie selbst so gespielt wie beim Titelgewinn in Auckland gegen Caroline Wozniacki, dann wäre das kein Niveau gewesen, auf dem sich nicht hätte mithalten können.

Dass es in diesem Sport keinen aussichtslosen Spielstand gibt, sah man übrigens am dritten Tag des Turniers im Spiel der Dänin gegen eine Gegnerin aus Kroatien namens Jana Fett, als sie das Spiel nach Abwehr zweier Matchbälle beim Stand von 1:5 im dritten Satz noch gewann. Aber im deutsch-französischen Fall war es anders, weil Alizé Cornet nicht nachließ und Julia Görges nie einen sicheren Stand in der Partie fand. Sie versuchte, Dinge zu verändern und meinte hinterher, den Versuch werte sie auf jeden Fall als positiv, aber sie habe es nicht geschafft, ein gewisses Energiepotential hinzukriegen. Viel zu oft landeten ihre Bälle hinter oder neben den Linie. 41 unerzwungene Fehler bei Deutschlands Nummer eins waren am Ende zu viel, um zumindest noch einen dritten Satz zu erzwingen, und mit einem dieser 41 Fehler endete die Partie.

Natürlich sei sie jetzt enttäuscht, sagte Görges, aber man müsse auch die Erfolge der vergangenen Wochen und Monate sehen, und deshalb könne sie stolz auf sich sein. Fest steht, dass sie nun auf jeden Fall ein bisschen Zeit haben wird, sich von der australischen Enttäuschung zu erholen, nach Gründen zu suchen und Schlüsse daraus zu ziehen. Schon vor Beginn der Australian Open hatte Görges’ Coach und Manager Michael Geserer mitgeteilt, sie werde wegen der kurzen Vorbereitungszeit auf die Saison 2018 für die erste Runde im Fed Cup eine Auszeit nehmen; in dieser ersten Runde wird die deutsche Mannschaft am 10./11. Februar in Minsk zum Spiel gegen Weißrussland erwartet.

Ob sie nach dem Ende der Australian Open in der Weltrangliste noch die beste deutsche Spielerin sein wird, wird man sehen, aber Julia Görges versichert ja immer wieder, es gehe ihr nicht um Zahlen und Listen, sondern darum, das Beste aus ihren Möglichkeiten zu machen, und es komme nicht darauf an, wo sie damit landen werde. Die Niederlage in der zweiten Runde der Australian Open nach zuvor 15 Siegen und drei Turniertiteln in Folge stört zwar im Moment angesichts einer vergleichsweise günstigen Auslosung; Kurzkommentar von Barbara Rittner, der Chefin des deutschen Frauentennis: „Shit happens“. Aber dieser Tag in Melbourne ändert nichts an Julia Görges’ Einschätzung, es gebe noch eine Menge Luft nach oben für sie in diesem Spiel.

Auf die abschließende Frage, ob sie noch ein paar Tage in Melbourne bleiben oder nach Deutschland fliegen werde, entschied sie sich für die zweite Möglichkeit mit der Aussicht, daheim in Regensburg erst mal eine Pause zu machen. Danach wird alles in aller Ruhe weitergehen.

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