München – Über Franck Ribery hat sein früherer Mitspieler Christian Lell vor Jahren den schönen Satz formuliert, dessen Körper sei „ein einziger Muskel“. Als Lell das sagte, war er bereits von München zu Hertha BSC Berlin gewechselt, und weil er dort als Rechtsverteidiger agierte, bekam er es in Spielen gegen den FC Bayern ständig mit dem Linksaußen Ribery zu tun. Die Duelle endete selten gut für Lell.
Mittlerweile ist der Franzose 34, sein Körper ist den letzten Jahren spürbar anfälliger geworden, doch an seinen athletischen Ausnahmequalitäten besteht auch heute kein Zweifel. An guten Tagen ist er immer noch einer, der ganz allein den Unterschied ausmachen kann. Menschen, die regelmäßig mit Ribery zu tun haben, schwärmen von seiner Fitness. Torwart Sven Ulreich behauptete am Freitag nach dem Sieg in Leverkusen, zu dem Ribery ein wichtiges Tor beigesteuert hatte: „Auch mit bald 35 Jahren zeigt er den Jungen, wo es langgeht.“
Das stimmt im doppelten Wortsinne. Der Senior ist nicht nur ein Vorbild für die Jüngeren, was Spielweise und Athletik angeht, sondern auch hochgeschätzter Ratgeber. „Er ist wie ein großer Bruder“, hat Kingsley Coman gerade dem „kicker“ gesagt. „Er hat sehr viel Erfahrung, und ich profitiere davon.“ Der junge Franzose (21), der in den ersten zwei Jahren in München ein großes, aber unerfülltes Versprechen war, hat in dieser Saison den Durchbruch geschafft. Dass ausgerechnet sein Landsmann Ribery, als dessen Erbe er infrage kommt, dabei mithilft, ist eine hübsche Pointe.
In den vergangenen Monaten wurde der wertvolle Einfluss von Jupp Heynckes mit vielen Einzelbeispielen belegt. Javi Martinez blühte unter dem alten, neuen Trainer ebenso auf wie James oder Jerome Boateng. Der vielleicht überraschendste Aufschwung aber gelang Coman. Der Mann, der von den Kollegen „King“ gerufen wird, hat sein Repertoire, das bisher vor allem aus zwei sehr schnellen Füßen bestand, um ein Paar sehr aufmerksame Augen und ein ausgeprägtes Gespür für den Nebenmann erweitert. Seit er am Ende eines furiosen Flügellaufs auch den Kopf hebt, um die Optionen zu erfassen, haben seine Aktionen eine ganz andere Zuspitzung.
Die Bayern befinden sich gerade mitten im Umbruch. Während die Veränderungen in der Defensive nach den Abgängen von Philipp Lahm und Xabi Alonso überraschend reibungslos gelangen, sind in der Offensive noch wichtige Fragen ungeklärt. Der „kicker“ veröffentlichte gestern das Ergebnis einer Umfrage, in der es um die Zukunft von Ribery und Rechtsaußen Arjen Robben (33) ging. Stattliche 64,3 Prozent der Teilnehmer plädierten dafür, die Verträge beider Spieler zu verlängern.
Es sind nicht nur sportliche Gründe, die ins Gewicht fallen. Das Duo steht für eine sagenhaft erfolgreiche Zeit, in der Meisterschaften am Fließband gewonnen wurden und als Krönung die Champions League. Robben und Ribery waren in dieser Zeit stilbildend, und weil ihre Identifikation mit dem FC Bayern so ausgeprägt ist, wie man es bei ausländischen Profis selten erlebt, hat die Zukunftsfrage auch eine nostalgische Note. Man mag sich den Verein noch nicht ohne diese Spieler vorstellen.
Gleichzeitig sorgt ein Talent wie Coman in seiner aktuellen Verfassung dafür, dass das Szenario seinen Schrecken verliert. Es wird auch einen FC Bayern nach Robben und Ribery geben, und wahrscheinlich wird der immer noch ziemlich erfolgreich sein. Ob die Zukunft aber schon im Sommer beginnt oder ein Jährchen später, darüber werden alle Beteiligten sich noch ihre Gedanken machen. Ribery hat in der „Sport Bild“ gerade die Meinung geäußert, Coman benötige „noch ein bisschen mehr Erfahrung“. Solange stünde er aber selbstverständlich parat. „Zwei Jahre auf Top-Niveau“ traut er sich noch zu.