Lansing – Ex-Turnerin Kyle Stephens brach in Weinkrämpfe aus, Richterin Rosemarie Aquilina forderte harte Konsequenzen. Am zweiten Tag des Missbrauchsprozesses gegen den ehemaligen Arzt des US-Turnverbandes, Larry Nassar, rückte im Gerichtssaal von Lansing im US-Bundesstaat Michigan eine Rekordstrafe in ungewöhnlicher Höhe immer näher. „Der nächste Richter, dem er sich stellen muss, wird Gott sein“, sagte Aquilina dem US-Sender NBC News zufolge. „Er wird niemals mehr frei sein.“
Das Strafmaß für Nassar soll heute verkündet werden. Der 54-Jährige hatte im November zugegeben, sieben minderjährige Turnerinnen sexuell belästigt und seine Position als Vertrauensarzt beim Verband ausgenutzt zu haben. Fast 140 Turnerinnen haben Klagen gegen ihn eingereicht, etwa 90 von ihnen kommen seit Dienstag in dem Prozess zu Wort.
Auch mehrere prominente US-Turnerinnen haben gegen Nassar ausgesagt, unter ihnen auch die viermalige Rio-Olympiasiegerin Simone Biles. Eindrucksvoll trat vor allem Nassar-Opfer Kyle Stephans auf und nannte den Ex-Mediziner einen „abscheulichen Lügner“. Nassar habe seine sexuellen Neigungen ausgelebt und mit „medizinischen Behandlungen“ gerechtfertigt, die der Entspannung der Becken-Muskulatur dienen sollten. „Ich fühlte Scham, Ekel und auch Selbsthass, hatte später sogar Depressionen und Essstörungen“, berichtete Stephans.
Im Antrag der Staatsanwaltschaft wird eine Rekordstrafe von 45 bis 125 Jahren für Nassar gefordert. Da dieser in einem anderen Prozess wegen Besitzes von Kinderpornografie im Dezember bereits zu 60 Jahren Haft verurteilt worden ist, wird die Strafe möglicherweise auch lebenslang ausfallen. dpa