Der nächste Streich

von Redaktion

Freiburg trotzt Abstiegs- und Personalsorgen – Coach erwartet trotzdem Ritt auf der Rasierklinge

Von Kristina Puck

Freiburg – Selbst Christian Streich ist verblüfft. „Ich habe es für möglich gehalten, dass wir ein gutes Spiel machen“, sagte Freiburgs Trainer nach dem 2:1 gegen RB Leipzig. „Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass wir das Spiel gewinnen, wenn ich ehrlich sein soll.“ Die bemerkenswerte Serie hält seit sieben Spielen, kein anderer Bundesligist ist aktuell so lange ungeschlagen wie der SC.

Streichs Elf steckt momentan erstaunlich viel weg, weder Abstiegs- noch Personalsorgen oder Rückstände scheint sie zu verunsichern.

In Ekstase rannte der 52-jährige Streich nach Abpfiff auf den Rasen. Seine Spieler ließen sich minutenlang feiern. „Es gibt halt einmal so einen Tag, wo du auch mal Leipzig schlagen kannst“, sagte der Coach. „Ich bin so richtig froh, dass wir gewonnen haben. Es wird ein Ritt auf der Rasierklinge bis zum letzten Spieltag, dass wir in der Liga bleiben.“

Als Tabellen-12. wird Freiburg jetzt die nächste Herausforderung bei Borussia Dortmund angehen, hat Mut und Vertrauen für knifflige Wochen gewonnen. Am Sonntag werde er sich noch nicht so viel mit Dortmund beschäftigen, so Streich. „Aber dann durchgehend, außer ich schlafe.“ Auf den BVB folgt Leverkusen als drittes Topteam nacheinander, schnell könnten die Abstiegssorgen wieder zunehmen.

15 Punkte hat der Sport-Club in den vergangenen sieben Spielen geholt, viermal gewonnen und dreimal unentschieden gespielt. Seit dem 18. November ist die Elf nicht mehr als Verlierer vom Platz gegangen. Damals ein sicherer Abstiegskandidat entfernten sich die Badener inzwischen bis auf acht Punkte von Tabellenplatz 17.

Drei Zähler gegen Leipzig waren nicht eingeplant, mehr als die klare Rollenverteilung in der Fußball-Bundesliga hatte gegen Freiburg gesprochen. Ein gutes halbes Dutzend Stammkräfte fehlte. Schon in der ersten halben Stunde sorgte Stammtorhüter Alexander Schwolow für einen „kleinen Schock“ (Janik Haberer), als er angeschlagen durch den Bundesliga-Debütanten Rafal Gikiewicz ersetzt werden musste.

1:4, 0:4, 1:4 hießen die vorherigen Bundesliga-Ergebnisse gegen RB. Dann gingen die Gäste durch eine Klasse-Aktion von Nationalstürmer Timo Werner (66. Minute) auch in Führung. Doch der SC steckte nicht auf und bewies einmal mehr seine Nehmer- und Comeback-Qualitäten. „Die Moral ist unglaublich. Was wir geleistet haben, ist top“, sagte Haberer nach seinem Ausgleich. Siegtorschütze Robin Koch schwärmte: „Es ist immer etwas Besonderes, wenn du Große ärgerst.“

Mit ihrer Standardstärke nutzten die Breisgauer die Schwäche der Gäste bei ruhenden Bällen aus: Zwei Ecken des starken Christian Günter reichten. Einmal drosch Haberer den Ball ins Tor (72.), einmal köpfte Defensivspieler Koch eine Woche nach seinem Bundesliga-Premierentor ein (76.).

Leipzig hadert mit Standard-Schwäche

Leipzigs Sportdirektor Ralf Rangnick verzog sich angefressen in den Mannschaftsbus. Dafür legte der Kapitän des leicht zu schlagenden Vizemeisters den Finger in die Wunde. „Wir haben fahrlässig wichtige Punkte liegen gelassen“, sagte Willi Orban kopfschüttelnd: „Es ist einfach unverständlich, wie wir solche Gegentore bekommen können!“ Sie alle hätten „gesehen, was passiert ist. Das wird bei uns langsam zur selbsterfüllenden Prophezeiung“, sagte Trainer Ralph Hasenhüttl: „Der Gegner versucht, uns über Standardsituationen zu schlagen, und wir können es wieder nicht verteidigen. Wir sind sehr enttäuscht.“

Die Ursachenforschung am Samstagabend führte aber zunächst nur zu der Erkenntnis, „dass wir keine große Mannschaft haben“, sagte Hasenhüttl: „Wir haben körperliche Nachteile und unsere spielerische Klasse geht vielleicht ein bisschen zu Lasten der Robustheit.“

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