Man darf gar nicht mehr zurückdenken an die Zeiten, als der deutsche Abfahrtsrennsport nur noch mitleidig belächelt wurde, manchmal kaum noch existierte, außer als Vorlage für schlechte Witze. Sportdirektor Wolfgang Maier spielte im Dauerfrust gar mit dem Gedanken, seine teuerste Sparte auf den Index zu setzen, das Abfahrtslager mangels Perspektive aufzulösen, ehe ihm Cheftrainer Mathias Berthold ins Gewissen redete und – ganz im Ernst – Perspektiven versprach.
Und vier Jahre später: Ein deutsches Wintermärchen auf der Streif. Es war ein denkwürdiger Tag für den deutschen Skirennsport, an einem Ort, der von seinen Helden-Geschichten lebt. Thomas Dreßen also, Thomas wer? Vorher noch nie gewonnen, aber plötzlich eine Legende. Mit 24 Jahren. Weil die Helden der Streif ein Leben lang – und darüber hinaus – als Legenden verehrt werden.
In einem Winter, der endlich mal wieder mit Schnee daherkommt und so seinen Namen auch verdient, zeigt sich ein „Klimawandel“ dafür im deutschen Ski-Team. Plötzlich genießen deutsche Schussfahrer wieder Hochachtung. Nicht erst seit Thomas Dreßens Geniestreich am Hahnenkamm: Der ganz große Schritt des Schusstrios Dreßen, Andreas Sander und Josef Ferstl kam nicht mehr völlig überraschend.
Auf der Kitzbüheler Streif werden Helden geboren, an diesem Samstag – endlose 39 Jahre hat es gedauert – endlich mal wieder ein deutscher. Thomas Dreßen verkörpert genau diesen Typen, den der deutsche Skisport so dringend gebraucht, jetzt, wo sich die Karriere des bewährten Alleinunterhalters Felix Neureuther doch langsam dem Ende zuneigt. Dreßen kommt mit lockeren Sprüchen daher, versprüht erfrischende Fröhlichkeit und Unbekümmertheit mit bayuwarischem Schmäh, und völlig abwegig sind in seinem Fall Bedenken, dieses Feuerwerk von Kitzbühel könnte den jungen Mann nun überhitzen. Wenn nicht alles täuscht, wird er nicht nur über viele Jahre auf den Rennpisten dieser Welt, sondern auch beim „Apres-Ski“ vor den Kameras eine charmante Rolle spielen. Thomas Dreßen könnte in vielen Rollen einer werden wie früher Markus Wasmeier. Ein Wasi der Neuzeit.
Der Wasi von damals allerdings hat die Streif in Kitzbühel nie gewonnen. Das hat ihm Thomas Dreßen schon voraus. Es war ein Tag für die Ewigkeit.