Schönau – Rene Spies überlegt kurz, sagt aber dann aus voller Überzeugung: „Ja!“ Als Bundestrainer der Bobfahrer hat man binnen knapp zwei Jahren viele unangenehme Gespräche zu führen. Man muss Athleten sagen, dass ihr Potenzial nicht ausreicht, und Anschiebern, dass sie zu langsam für den BSD-Kader sind. Aber jene Unterredungen, die der 44-Jährige im Laufe der vergangenen Woche am Königssee einberufen hat, fielen besonders schwer. Spies hatte alles gut vorbereitet und auch die Reihenfolge festgelegt, in der er seinen Pilotinnen mitteilte, wer in Pyeongchang mit welcher Bremserin an den Start gehen wird. „Die Reaktionen“, sagt er, „waren unterschiedlich“. Aber jetzt herrscht Klarheit.
Am Samstag, beim Saisonfinale am Königssee, das gleichzeitig Olympia-Generalprobe war, konnten auch Außenstehende davon ausgehen, dass das Hin und Her, mit dem der Chefcoach seine Mädels in diesem Winter doch ein wenig gequält hatte, wohl ein Ende hat. Annika Drazek, die beste deutsche Anschieberin, saß nicht bei ihrer Stamm-Pilotin Mariama Jamanka im Bob, sondern verhalf Stefanie Schneider zum Sieg. Zwei Mal Laufbestzeit fuhr das Duo, und dass sie im zweiten Lauf am Start gleich schnell warn wie Elana Meyers Taylor, die Silbermedaillengewinnerin von Sotschi, verblüffte noch dazu. Jamanka wurde mit Lisa Marie Buckwitz Vierte und sicherte sich damit den dritten Platz im Gesamtweltcup. Die Freude darüber war in etwa so groß wie die Enttäuschung ein paar Tage zuvor.
Man merkt Spies an, dass es ihm leidtut, ausgerechnet Jamanka wehgetan zu haben. „Ein Knockout“, sagt er zwar, sei die Zweckgemeinschaft mit Buckwitz – einer ebenso starken Athletin – nicht. „Aber es ist eine Schwächung.“ Schneider und Drazek haben ernsthafte Medaillenambitionen, während Jamanka das Startdefizit auf der Bahn aufholen muss. Spies schluckt, als er sagt: „Ich bin für den Erfolg verantwortlich.“
Der Bundestrainer hat die gesamte Saison über durchtauschen lassen und sagt: „Die Entscheidung macht analytisch komplett Sinn.“ Zahlenwerte aller Rennen konnten so überzeugen, dass auch Jamanka mit ein wenig Abstand schon wieder freundlich zu ihrem Chef ist. „Sie ist so eine tolle Persönlichkeit, sie hält unseren Laden zusammen“, sagt Spies. Auch Drazek und sie sind eng befreundet. Die Präferenzen waren klar – Spies’ Argumente aber besser. hlr