-Sepp Ferstl, sehr lange waren Sie immer der letzte deutsche Abfahrtssieger auf der Streif. Nach 39 Jahren – Sie sind jetzt 64 Jahre alt – gibt es endlich einen Nachfolger. Treten Sie diesen Titel gerne ab?
Gott sei Dank, dass ich jetzt mal abgelöst bin. Weil: Das hältst du auf Dauer nicht aus. Aber jetzt geht’s ja erst richtig los für den.
-Sie waren als Zuschauer auf der Tribüne. Wann haben Sie geglaubt, dass Thomas Dreßen den Sieg wirklich ins Ziel bringt?
Ich habe gewusst: Der hat es schon ein bisserl drauf. Ich habe ihn oft beobachtet, er fährt eine super Position auf dem Ski und er fährt unbekümmert, auf ihm lastet kein Druck. Das hat man letzte Woche auch in Wengen gesehen (als Dreßen Fünfter wurde/d. Red): Der fährt locker, fährt sauber mit zwei Ski, legt sie sauber um. Von dem kann man schon noch einiges erwarten.
-Mit wem ist Thomas Dreßen vom Fahrstil zu vergleichen?
Er ist ein Überraschungs-Sieger. Aber er hat ein Gefühl auf der Kante, das wenige haben. Wenn ich den Schweizer Beat Feuz hernehme, der auch so ein Gefühlsfahrer ist: Der ist auch so ein „Bröckerl“, das ist für einen Speedfahrer natürlich ein Vorteil. Mit dem würde ich Dreßen auf eine Ebene setzen.
-Wie haben Sie damals – 1978 und 1979 – Ihre Siege in Kitzbühel gefeiert?
Ich habe damals schon eine Stunde gebraucht, bis ich aus dem Ziel rausgekommen bin, weil es der erste Sieg eines Deutschen nach langer Zeit war. Schulterschläge, Fotos – heute ist das ja noch viel schlimmer mit diesen Handy-Selfies. Aber die Deutschen sind wieder wer. Ich war ja selber 25 Jahre Trainer im Nachwuchs – das sind die Früchte, die man jetzt erntet.
-Profitieren Sie von Ihren Kitzbühel-Siegen bis heute?
Ich kann nicht bis heute davon leben, dass ich Kitzbühel gewonnen habe. Das ist ein Mythos, der mir nachrennt, weil halt noch kein anderer da war, der das geschafft hat. Jetzt ist zumindest ein anderer da, dann kann ich sagen: Jetzt fragt’s den auch mal.
-Wie lange haben Sie denn gebraucht, diese Sieg damals zu verarbeiten?
Das ist ja 40 Jahre her. Aber damals war das schon ein Highlight, gleich danach war die Weltmeisterschaft (1978 in Garmisch-Partenkirchen /d. Red.), da baute sich dann schon ein Medaillen-Druck auf. Das wird jetzt für Dreßen ähnlich sein in Pyeongchang. Die Erwartungen sind jetzt groß, das ist klar.
-Was erwartet ihn in den nächsten Wochen?
Bei Olympia wird es natürlich rund gehen. Hoffentlich lässt er sich da nicht nervös machen. Ihr (die Medien/d.Red.) müsst da ein bisserl vorsichtig sein. Das ist jetzt alles nicht so einfach für ihn. Hoffentlich hält er das aus, den Druck, die Erwartungen. Aber er hat ein gutes, menschliches Trainerteam Wenn man mit solchen Trainern arbeitet, kommt auch was raus. (Sepp Ferstls Sohn Pepi ist ein Teamkollege von Thomas Dreßen, er belegte am Samstag den 20. Platz).
-Was geben Sie Thomas Dreßen mit auf den Weg, was bedeutet es, Kitzbühel gewonnen zu haben?
Kitzbühel zu gewinnen, ist das Höchste. Es gibt keine bessere Strecke zum Gewinnen. Das ist besser, als Medaillen zu holen. Nach zehn Jahren weiß noch jeder, wer Kitzbühel gewonnen hat, aber da weiß keiner mehr, wer irgendwo Medaillen gewonnen hat. Kitzbühel-Sieger weiß man immer.
-Sein erster Weltcup-Sieg gleich auf der Streif, diese Geschichte ist einmalig . . .
Das ist nochmal drei Klassen höher einzuschätzen als jeder andere Weltcupsieg. Er lebt noch lange davon, kann von diesem Erfolg lange zehren. In Österreich, in Kitzbühel bist du immer willkommen, das gibt’s woanders nirgends. Das ist der Wahnsinn.
Aufgezeichnet von Jörg Köhle