Nun kann man natürlich darüber spekulieren, was diese Claudia Pechstein noch antreibt. Mit fast 46 steht sie unmittelbar vor ihrer siebten Olympiateilnahme, es könnte sogar ihre achte oder gar neunte sein. Vancouver 2010 verpasste sie ja nur wegen dieser unendlichen Geschichte um ihre verdächtigen Blutwerte, der Versuch der Eisschnelllauf-Queen, als Bahnradfahrerin bei den Sommerspielen 2012 in London zu starten zu dürfen, scheiterte knapp. In Pyeongchang nun wird sie auf Konkurrentinnen treffen, die ihre Töchter sein könnten. Will sie nicht oder kann sie nicht aufhören?
Ganz generell heißt es ja, dass die Alten – oder sagen wir besser: die Älteren – immer jünger werden. Ungewöhnlich ist es ja nicht mehr, irgendwo auf einer einsamen Bergtour plötzlich einer Gruppe dieser vitalen „Best Ager“ zu begegnen, auf vollgefederten 26er Mountainbikes. Oder beim Rafting einem rüstigen Achtziger. Aber Senioren im Hochleistungssport?
Heinz Müller, mit heute 39 ein vergleichsweise junger Hüpfer, wäre es nun fast gelungen, die Altersdiskriminierung im Bundesliga-Fußball zu beenden. Wir sahen vor unserem geistigen Auge in den Stadien schon Langzeit-Profis kurz vor dem Rentenalter, mit Bauchansatz und Atemnot kämpfend. In zweiter Instanz erst wurde Müllers Vorhaben, Zeitverträge für Fußballer zu Fall zu bringen, abgeschmettert.
Wäre auch ziemlich krass gewesen, hätten die ohnehin weit überbezahlten Kicker bis zu ihrem 67. Lebensjahr ihr üppiges Gehalt beziehen können, obwohl sie, wie die Vorsitzende Richterin ausführte, „die in der Bundesliga erwarteten Höchstleistungen nicht bis zum Rentenalter erbringen“ könnten. Leuchtet irgendwie ein. Claudio Pizarro, ältester in dieser Spielzeit eingesetzter Profi, ist mit 39 unter den Feldspielern schon eine extreme Ausnahme in einer Liga, die eher dem Jugendwahn verfallen ist.
Und doch scheint sich die Altersgrenze im Hochleistungssport immer weiter nach oben zu verschieben. Neulich bei der Vierschanzentournee haben wir Noriaki Kasai wiedergesehen, 1988 erstmals im Weltcup aufgetaucht, mit nunmehr 45 noch immer dabei. Der weiteste Sprung seiner Karriere gelang ihm übrigens erst letztes Jahr, mit 44. Roger Federer schickt sich an, in diesem Jahr sein 20. Grand Slam-Turnier zu gewinnen. Der Schweizer wird im Sommer 37. Heute feiert die Biathlon-Legende Ole-Einar Björndalen 44. Geburtstag, nur knapp hat der mit acht Goldmedaillen erfolgreichste Winterolympionike seine siebten Spiele in Folge verpasst.
Mit 40 könne man schon noch Weltklasseleistungen erbringen, das aber sei eher selten, erklärte neulich in der SZ der Sportmediziner Bernd Wolfarth. Weil ab dem 35. Lebensjahr die maximale Sauerstoffaufnahme nachlasse, müssten sich diese Athleten halt noch professioneller vorbereiten. Und dabei das richtige Maß finden, um Überlastung zu verhindern. Das aber ist gerade im Fußball schwierig, wenn der Zeitplan immer dichter, die Pausen immer seltener werden.
Bei der eingangs gestellten Frage nach dem Warum dürfte schließlich weniger der Körper, sondern der Kopf die entscheidende Rolle spielen. Die Pechstein scheint einfach getrieben von dem Wahn, den Funktionären, von denen sie sich so unfair behandelt glaubt, noch möglichst lange auf die Nerven zu gehen. Also kämpft sie weiter, wenn nicht auf dem Eis, dann vor Gericht.
Zumindest so gesehen ist sie ein Vorbild für uns Ältere. Ein Vorbild für Beharrlichkeit, aber auch Willenskraft, mit der sich selbst biologische Grenzen verschieben lassen.
Zwischentöne