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„Als Bundestrainer scheint er überfordert“

von Redaktion

Auch aus der Bundesliga nimmt die Kritik an Christian Prokop zu – DHB-Vize Hanning gesteht Fehler des Verbandes ein

Köln – Die Kritik aus der Liga wird lauter, die Treueschwüre klingen halbherzig: Für Handball-Bundestrainer Christian Prokop wird der Gegenwind nach dem EM-Debakel immer stärker. „Ich will ihm wirklich nichts Böses, aber als Bundestrainer scheint er überfordert“, sagte Axel Geerken dem Fachmagazin Handballwoche.

Der Geschäftsführer des Spitzenklubs MT Melsungen ist der erste Bundesliga-Manager, der sich nach dem enttäuschenden Hauptrunden-Aus in Kroatien aus der Deckung wagt und eine Ablösung Prokops fordert. Man müsse „sehr gründlich nachdenken“, ob man mit Prokop als Bundestrainer in die Heim-WM im kommenden Jahr geht. „Verbrannt ist er schon heute“, sagte Geerken.

Bob Hanning kündigte derweil eine umfangreiche EM-Analyse in den nächsten vier bis sechs Wochen an. „Dann werden wir eine ergebnisoffene Entscheidung treffen“, sagte der Vizepräsident des Deutschen Handballbundes (DHB) im ZDF-Morgenmagazin: „Wir werden mit allen sprechen, um ein Gesamtbild zu kriegen. Der Wunsch ist es, mit Christian Prokop weiterzumachen. Wir haben mit Christian Prokop vieles gut und richtig gemacht. Deswegen ist es mir zu einfach, ihn zum Fraß vorzuwerfen.“

Dennoch könnte am Ende des Prozesses ein Jahr vor der Heim-WM die Ablösung Prokops stehen. Dass der Nachfolger von Dagur Sigurdsson zunächst auf Abwehrchef Finn Lemke verzichtet hat, könnte der Hauptgrund für die augenscheinlichen Differenzen zwischen Mannschaft und Trainer sein.

„Wenn du einen solchen Spieler aus dem Team nimmst, ist es sehr schwierig, ihn wieder einzuführen. Das gilt es zu besprechen, ob da vielleicht der Knackpunkt der ganzen Situation war“, sagte Hanning, der aber auch Spieler wie Uwe Gensheimer und Steffen Weinhold wegen ihrer schwachen Leistungen kritisierte sowie Fehler des Verbandes einräumte. „Wir sind zweimal innerhalb von zwölf Monaten gescheitert. Nach der WM haben wir wegen des Trainerwechsels auf eine Analyse verzichtet. Das war ein Fehler seitens des Verbandes. Das haben wir falsch eingeschätzt“, sagte Hanning.

Die Konsequenzen nach dem verpassten Halbfinale sind für Geerken „noch gar nicht abzusehen – nicht für die HBL, nicht für den DHB und schon gar nicht für den Handballsport im Kleinen und in der Schule.“ Der Schaden von Prokops Verpflichtung könne sich „ganz schnell zu einer Million Euro summieren, wenn man nicht handelt“, sagte Geerken.

Prokop, der vor einem Jahr Sigurdsson beerbt hatte, besitzt beim DHB einen Vertrag bis 2022. Der Verband hatte ihn für rund 500.000 Euro vom Bundesligisten SC DHfK Leipzig losgeeist.

Für Prokop kommt die Kritik zur Unzeit. Am kommenden Wochenende trifft sich das DHB-Präsidium am Rande des All-Star-Games, bei dem die Nationalmannschaft gegen eine Bundesliga-Auswahl antritt, zu Gesprächen. Auch mit Vertretern der Liga wird es dann um die Zukunft Prokops gehen. Geerkens Wort hat Gewicht, betreut der frühere Nationalkeeper in Melsungen mit Lemke, Julius Kühn und Tobias Reichmann drei Nationalspieler, die vor zwei Jahren noch Europameister geworden waren.

Auch Geerken sind die kolportierten atmosphärischen Störungen im Team nicht verborgen geblieben: „Wir alle – und gerade auch in den Vereinen – haben den neu geschaffenen Spirit unserer 2016er-Nationalspieler genossen und genutzt. Und da verstehe ich nun wirklich nicht, warum ein Trainer ohne Not ein mit großem Geist, Emotionen und Entscheidungsfähigkeiten ausgestattetes Team regelrecht zerlegt.“  sid

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