Garmisch-Partenkirchen – Pünktlich zur Startzeit setzte strömender Regen, später Schneefall an der Kandahar ein. An ein Training der Damen, die sich schon oben am Start aufwärmten, war nicht mehr zu denken. Auch den Start tieferzulegen, raus aus dem Nebel, machte keinen Sinn. „Wir wollen nichts mehr riskieren so kurz vor Olympia“, teilte Rennleiter Atle Skaardal mit. Absage. Heute neuer Versuch.
So ein Wetter lässt kein Ski-Rennen zu, ob auf langer oder kurzer Piste, so wie sie für Samstag vorgesehen ist. Dann kommt es mit einer Sprint-Abfahrt für die Frauen in zwei Durchgängen zu einer Weltpremiere auf der Kandahar. Wie beim Slalom oder Riesenslalom starten die besten 30 im Finale in umgekehrter Reihenfolge, erst nach der letzten Läuferin steht die Siegerin fest. Peter Fischer, Chef der Garmischer Weltcuprennen, wollte dieses Pilotprojekt (statt des üblichen Super-G) unbedingt umsetzen, weil er als Visionär des Skisports viele Vorteile sieht.
Für den Zuschauer vor Ort oder am Fernseher erhöht sich der Spannungsbogen, weil er jeden Athleten/in zwei Mal sieht, die Leute dabei bleiben und nicht nach 15 oder 20 Fahrerinnen abschalten oder heimgehen. „Ich bin ein Fan dieser Form der Abfahrt, weil sie spannender ist. Und auch wesentlich interessanter als der Super-G“, findet Fischer. Garmisch-Partenkirchen bietet an diesem Wochenende den direkten Vergleich: Samstag Sprintabfahrt in zwei Läufen (10.30), Sonntag die normale Abfahrt (12.30 Uhr) in voller Länge und in einem Durchgang. Fischer stellt klar, dass Garmisch-Partenkirchen keineswegs seine klassische Kandahar-Abfahrt aufgeben will, „aber ich muss an die Zukunft denken“. An den Klimawandel, an die Kosten.
Der Trend geht zum Abfahrts-Sprint: Andere Veranstalter finden ebenfalls Gefallen an dieser Idee. Wengen in der Schweiz zum Beispiel ersetzt im kommenden Jahr die ungeliebte Kombination für die Herren durch eine Sprintabfahrt. Die Kombination, bei der seit Langem die Sinnfrage gestellt wird, steht nach der WM 2019 in Are vor dem Aus. Es gibt keine Vielfahrer mehr, weil der Trainingsaufwand in den einzelnen Disziplinen zu groß geworden ist. Die letzten, die in allen Disziplinen antraten, waren mal Ivica Kostelic oder Maria Höfl-Riesch und Tina Maze. Heute gibt es niemanden mehr. Auch die Zukunft des Super-G steht in den Sternen. Die FIS denkt ernsthaft über ein Ende dieser Disziplin nach. Der gewöhnliche TV-Wintersport-Konsument „erkennt keinen Unterschied zwischen Super-G und Abfahrt“, sagt Männer-Renndirektor Markus Waldner. Die Athleten selbst allerdings wollen den Super-G unbedingt behalten.
Aber sie finden auch Gefallen am neuen Projekt. „Die Sprintabfahrt ist sicher eine Überlegung für die Zukunft, sagt der deutsche Cheftrainer Jürgen Graller. Es finden sich immer weniger Destinationen, die den enormen Aufwand der Präparierung einer langen Abfahrtsstrecke noch stemmen können. Vor allem bei rückläufigen Teilnehmerzahlen: In Garmisch-Partenkirchen sind nur 46 Läuferinnen gemeldet. „Das spricht nicht für den Damenabfahrtsrennsport“, so Graller, „dementsprechend ist es schwer, Veranstalter dafür zu finden.“
Um nur die halbe Strecke herzurichten für den Sprint, dafür ist der Aufwand deutlich geringer. Ein Kilometer weniger Piste (die Sprintabfahrt von der Einfahrt Himmelreich misst 2180 Meter), heiße zum Beispiel, so Fischer: „Ein Kilometer weniger beschneien, ein Kilometer weniger Netze, ein Kilometer weniger Personal.“ Deshalb: „Die Wirtschaftlichkeit und das Klima zwingt uns zum Umdenken.“
Auch gibt es Überlegungen, die Abfahrten künftig bei Olympia nur noch in Sprintform, bei Männern und Frauen, durchzuführen, um bei manchen Bewerbern nicht mit größtem finanziellen Aufwand eine lange Abfahrtsstrecke in den Wald schlagen zu müssen, wie zuletzt in Sotschi oder jetzt in Pyeonchang. Die alpine Abfahrt stellt für manche Olympia-Bewerber die größte Herausforderung dar. Mit der Sprintabfahrt wäre das Problem ein kleineres. Für das Wetter gibt es auch da noch keine Lösung.