Der Kronprinz von Paris

von Redaktion

Draxler hat neben Neymar und Co. seinen Platz gefunden – Wechsel zu Bayern unwahrscheinlich

VON ANDREAS WERNER

München – In den heiligen Räumen der „L’Equipe“ sind sich die traditionell gut vernetzten Journalisten sicher: Das Gerücht, Julian Draxler werde im Sommer Franck Ribery beim FC Bayern beerben, wird ein Gerücht bleiben. Es deutet nichts darauf hin, dass diese Geschichte in der Realität Gestalt annimmt. Schlechte Quelle, sagen sie beim tonangebenden Medium in Frankreich. Draxler habe seinen Platz bei Paris St. Germain endgültig gefunden.

Für den Hit gegen Real wurde Draxler extra geschont

Der Kronprinz zu sein neben Super-Stars wie Neymar oder Kylian Mbappé – es gibt Schlechteres. Morgen kommt es in der Champions League zu einem Duell, das die Fans europaweit elektrisiert: Real Madrid gegen Paris St. Germain. Tradition gegen Moderne, altes gegen neues Geld, Renommee auf beiden Seiten – selten lieferte ein Fußballspiel so viele Steilvorlagen für Debatten über das Sportliche hinaus, mit gesellschaftlichen und politischen Komponenten. Draxler wird dabei eine Rolle spielen. Beim 1:0 gegen Toulouse, der geglückten Generalprobe am Wochenende, kam er erst in der 71. Minute. Dass er nur eine Teilzeitkraft war, ist kein Fall fürs Martinshorn, im Gegenteil: Es bedeutet, er wurde geschont.

Der 24-Jährige spielt seit einiger Zeit eine neue Rolle. Trainer Unai Emery fand eine Möglichkeit, den deutschen Nationalspieler trotz der millionenschweren Konkurrenz in der Startelf unterzubringen. Er kommt jetzt mehr aus der Tiefe, auch Bundestrainer Jogi Löw sollte sich das ansehen, so die Empfehlung der Experten von der Seine. Bei Löw genießt Draxler aber sowieso schon länger höchste Wertschätzung; spätestens mit dem Gewinn des Confed Cup festigte sich da eine tiefe Bindung. Draxler führte das deutsche B-Team vor einem Jahr als Kapitän zum Titel. Er sammelte viele Punkte als geerdeter Vormund einer ambitionierten Junioren-Runde.

Draxler ist unter schwierigen Umständen gereift. Bereits mit 18 Jahren musste er sehen, wie Lkw-Anhänger im Ruhrgebiet herumfuhren, mit seinem Konterfei drauf und der Ankündigung, Schalke habe den Vertrags des Talents bis 2018 verlängert. Es wurde ihm schon früh viel zugemutet, und selten verlaufen die Dinge unter solchen Voraussetzungen linear. Das mit der Schalker Verlängerung wurde nichts, 2015 ging Draxler zum VfL Wolfsburg, 2017 nach Paris. Immer dem Geld nach, so unkten Kritiker, mit Lust bereitete man sich darauf vor, den Stab zu brechen. Das große Scheitern, es schien vorgezeichnet. Zumal die Leistungen das üppige Gehalt selten wert waren. In Wolfsburg nicht und auch nicht in Paris.

Inzwischen aber sind die 600 000 Euro, die Draxler in der französischen Hauptstadt im Monat brutto verdient, gut angelegt – mal abgesehen davon, dass die Besitzer von Paris das liebe Geld eh kaum schert. Neymar verdient das Fünffache, Draxler liegt in der internen Gehaltsliste auf Rang elf. Nur die ersten beiden Saisonspiele verpasste er wegen seines Trainingsrückstandes aufgrund der Teilnahme am Confed Cup, seitdem aber ist er fixer Bestandteil einer Elf, die Europas Fußballgeschichte umschreiben will.

Draxler spielt zwischen den 400 Millionen schweren Neymar und Mbappé, und er sagt, er fühlt sich wohl. Sein einziges Problem könnte sein, dass PSG womöglich eines Tages einmal doch ernsthaft den Forderungen des Financial Fair Play der UEFA nachkommen muss. Im Winter ist die Rede davon gewesen, man sei bei 45 Millionen Euro Ablöse gesprächsbereit. Der FC Arsenal bot dann aber nur 34 Millionen. Bei der „L’Equipe“ schütteln die Redakteure dasowieso den Kopf: Das Risiko, dass Draxler gehen muss, sinke seit Monaten merklich. Auch ein Kronprinz hat ja seinen Hofstaat.

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