Pyeongchang – Erst Fahnenträger für Schwarz-Rot-Gold, jetzt deutscher Hoffnungsträger im Kampf um Gold: Für Eric Frenzel beginnt fünf Tage nach seinem großen Auftritt bei der Eröffnungsfeier auch sportlich der olympische Ernst. „Die Fahne zu tragen, das war schon ein grandioses Erlebnis“, sagt der erfolgreichste deutsche Kombinierer der Geschichte: „Ich hoffe, dass ich die Euphorie vom Freitag in die Wettkämpfe mitnehmen kann.“
Im Wettbewerb von der Normalschanze morgen (7.00 und 9.45 Uhr MEZ) endet für den 29-Jährigen auch die unerwartet lange Anlaufzeit. Mit der ersten Entscheidung am fünften Wettkampftag gehören die Skizweikämpfer zu den Spätstartern. Und dann musste Frenzel wegen seiner ehrenhaften Mission dem Rest des Kombi-Teams spontan vorausfliegen.
„Die Kinder waren etwas überrascht, dass Papa jetzt zwei Tage vor der geplanten Abreise die Koffer gepackt hat“, schrieb Ehefrau Laura in ihrem Blogl. Gestern reiste die Gattin mit Philipp – dem ältesten der drei Kinder im Hause Frenzel – dem sportlichen Familienoberhaupt nach Südkorea hinterher.
Doch nicht nur die Anfeuerung seiner Lieben an der Strecke soll dem Papa Beine machen. Da wäre der Schwung durch die Eröffnungsfeier und die damit verbundenen Glücksgefühle, die das Ausharren im Gefrierschrank Olympiastadion überwogen. „Nachteile gab es dadurch nicht, das gibt eher einen positiven Schub“, sagt Frenzel. Immerhin: Vier der sieben letzten deutschen Fahnenträger wurden danach auch Olympiasieger.
Da ist die Erinnerung an Sotschi, als er bei Olympia 2014 im Auftaktwettbewerb zu Gold stürmte. Und schließlich haben die zuletzt flügellahmen Dominatoren des Vorjahres, die diesen Nimbus seit Saisonstart eingebüßt hatten, ihr Fluggefühl endlich wiedergefunden.
„Ich kann auf jeden Fall zufrieden sein, der Sprung am Montag war einer meiner besten hier. Bislang läuft alles positiv, ich fühle mich sehr wohl. Die Wettkämpfe können kommen“, sagt Frenzel, der gestern im letzten Trainingssprung sogar den ersten Platz belegte.
Eine unerklärliche Schanzenschwäche hatte ihm, der eigentlich eine Bank im Springen ist, zuletzt nahezu jeden Wettkampf seit Jahreswechsel ruiniert – keine einzige Podestplatzierung erreichte Frenzel 2018, der sechste Gesamtweltcup-Sieg in Folge ist bereits außer Reichweite.
Immerhin: Pünktlich zu Olympia stimmt Frenzels Sprungform wieder, auch dank eines Trainingslagers in Oberstdorf. „Eric hat da richtig gute Sprünge gemacht. Das hat ihn an etwas Großes glauben lassen, das hat in befreit. Er hat gespürt: Es geht, es ist was drin“, sagt Bundestrainer Hermann Weinbuch. „Und wenn man dann die Fahne tragen darf, wird man auch ein bisschen größer“.
Noch größer? Schon jetzt ist Frenzels sportliche Vita unter den Kombinierern einzigartig: Ein Olympiasieg, drei weitere Olympia-Medaillen, fünf WM-Titel, fünf Gesamtweltcups, 42 Weltcup-Erfolge. Alles erreicht zu haben, bremst aber nicht den unbändigen Ehrgeiz des so unscheinbaren, aber so gnadenlosen Sachsen. „Von meinen ganzen Titeln kann ich mir jetzt nichts mehr kaufen“, sagt Frenzel.