Pyeongchang – Die Teamkolleginnen hatten es noch geschafft zu gratulieren. Sie durften ja auch in den Innenraum, als Katharina Althaus ihre Sprungskier abschnallte. Aber anschließend griff das strenge Zeremoniell am Ende eines Wettkampfes bei den Olympischen Winterspielen. Andreas Wellinger musste sich beeilen, der Olympiasieger, der wie Richard Freitag und Skisprung-Bundestrainer Werner Schuster trotz eisiger Temperaturen an die Schanze in Alpensia gekommen waren, umkurvte deshalb ein paar Betreuer. Er schaffte es gerade noch, seinen Glückwunsch für den Gewinn der Silbermedaille loszuwerden, ehe die 21 Jahre alte Oberstdorferin weggezogen wurde.
Es blieb erst einmal keine Zeit zum Genießen. Erst später nach der sogenannten Flower-Zeremonie, den medialen Pflichten und der Dopingprobe fand sie einen Moment des Innehaltens, bevor es um die Ecke ins Deutschen Hause ging. Und da, kündigte Althaus an, „wird richtig gefeiert“, mit Weißbier und dem ganzen Team. „Ich bin so froh, dass ich es geschafft habe“, sagte sie. „Mir fällt ein Riesenberg von den Schultern.“
Der olympische Wettkampf war ein Spiegelbild der gesamten Saison. Die drei Springerinnen, die den Weltcup in diesem Winter dominiert, landeten auch am Montag ganz vorne, und sogar noch in der richtigen Reihenfolge. Althaus hatte es in jedem Weltcup auf das Podest geschafft, zweimal stand sie ganz oben, aber meistens war eine andere besser. Die Norwegerin Maren Lundby war die Flugkönigin dieser Saison und gewann auch in Südkorea die Goldmedaille. Bronze ging an Sara Takanashi aus Japan, die Dritte im Gesamtweltcup. „Ich war schon nervös“, gab Althaus zu. „Aber ich habe gewusst, dass es reichen kann, wenn ich meine Leistung bringe.“ Nach dem ersten Durchgang und nur gut zwei Punkten Rückstand auf Lundby (105,5 Meter) hatte sie sogar noch auf Gold hoffen dürfen, aber im Finale gelang der Norwegerin ein überragender Sprung (110 Meter). Am Ende hatte sie zwölf Punkte Vorsprung auf die Oberstdorferin, die 106,5 und 106 Meter gesprungen war. „Respekt, sie hat’s verdient“, sagte Althaus, für die die Kontrahentin Ansporn ist. „Man braucht immer jemand, der besser ist, um selbst besser zu werden.“
Althaus hat in diesem Jahr den erhofften Schritt von einer talentierten Athletin mit manchmal guten Leistungen zu einer Top-Springerin auf konstant hohem Niveau geschafft. Saison für Saison habe sie sich gesteigert, findet sie, die Vorbereitung im vergangenen Sommer endlich ohne die Doppelbelastung Schule sei ein wichtiges Detail gewesen. „Das hat mich richtig nach vorne gebracht.“
Trotz ihrer glänzenden Vorleistungen trug sie die Last der Medaillenkandidatin im deutschen Team nicht allein. Carina Vogt hat zwar bisher keine überragende Saison hinter sich, aber das heißt nichts. Sie ist die Frau für die besonderen Wettkämpfe. Vor vier Jahren war sie in Sotschi überraschend Olympiasiegerin geworden und hatte auch bei den vergangenen beiden Weltmeisterschaften jeweils Gold im Einzel gewonnen. Am Montag aber erging es ihr so ähnlich wie bei den Männern zwei Tage zuvor dem Schweizer Simon Amman. Mehrere Male wurde vor ihrem Start im ersten Durchgang die Anlauflänge wegen der widrigen Windverhältnisse verändert, es ging rauf mit dem Balken, dann wieder runter. „Ich habe richtig mit ihr mitgefühlt“, sagte Althaus. Vogt schaffte es schließlich nicht, dies ganz auszublenden und landete mit ihrem ersten Sprung nur auf dem sechsten Platz. Im Finale verbesserte sie sich noch um einen Rang und fieberte anschließend mit der Teamkollegin mit. „Sie hat sich riesig für mich gefreut“, weiß Althaus. Und anschließend auch mitgefeiert.