Pyeongchang – Es waren bittere Momente, als Claudia Pechstein ihre letzten Runden drehte. Vielleicht ihre bittersten auf dem Eis überhaupt. Nur mit Mühe schaffte sie es noch um die letzten Kurven, ihr Gesicht wirkte wie versteinert, längst war ihr klar, dass es nichts werden würde mit dem großen Plan, in die Geschichtsbücher ihres Sports einzugehen.
Als fast 46-Jährige wollte sie bei ihren siebten Olympischen Spielen über 5000 Meter noch einmal eine Medaille erringen. Es wäre ein unglaublicher Altersrekord gewesen. Doch an diesem Abend im Gangneung Oval spürte die Berliner den Zahn der Zeit. „Es ging um siegen oder sterben – ich war heute eher in Richtung sterben unterwegs“, sagte sie.
Die fünffache Olympiasiegerin musste sich geschlagen geben. Achte wurde sie in 7:05,43 Minuten, vom Podest trennten sie 15,20 Sekunden. Das ist für ihre Verhältnisse fast schon eine kleine Ewigkeit. Schnellste war die 22-jährige Esmee Visser (6:50,23 Minuten), die das schon sechste Eisschnelllauf-Gold für die Niederlande bei diesen Spielen errang. Silber gab’s für Martina Sablikova (Tschechien/6:51,85), Bronze ging an Natalja Woronina (6:53,98/OAR).
Dabei schien Pechstein nach sechs Runden noch drauf und dran zu sein, aufs Podest zu laufen. Ihr Vorhaben, mit 32er-Runden ein medaillenträchtiges Tempo vorzulegen, schien aufzugehen. „Ich habe das Rennen gut angefangen“, erklärte sie. Doch urplötzlich verlor Pechstein an Speed, die Kräfte schwanden. „Wir sind auf Medaille gelaufen, haben angegriffen. Es ging um alles oder nichts. Das hat nicht geklappt, wir haben verloren“, sagte Matthias Große, Pechsteins Lebensgefährte und Mentaltrainer, der in Mixed-Zone das Wort für die geknickte Sportlerin ergriff.
Doch so ganz hatte Pechstein ihren Kampfgeist nicht verloren. Ohne danach gefragt worden zu sein, erklärte sie: „Die nächste Chance ist in vier Jahren, über 5000 Meter eine Olympiamedaille zu holen.“ Bei den Spielen 2022 in Peking also; Pechstein wäre dann 50 Jahre alt. Ob das ihr Ernst sei, wurde sie gefragt: „Wenn ich bis dahin noch lebe und mich qualifiziere – ja.“
Auf der Tribüne befand sich auch DOSB-Präsident Alfons Hörmann. Der höchste deutsche Sportfunktionär hat bekanntlich ein starkes Faible für die nimmermüde Eisschnellläuferin, die er sogar als Fahnenträgerin vorgeschlagen hatte. Nach dem Rennen erklärte der Allgäuer: „Natürlich ist es schade für sie. Wir hätten es ihr alle von Herzen gegönnt.“ Vor 26 Jahren hatte Pechstein in Albertville ihre erste von insgesamt neun Medaillen geholt, Bronze auf ihrer Lieblingsstrecke, den 5000 Metern. Es folgten fünf goldene Plaketten – und 2009 eine umstrittene Dopingsperre. Seither tritt Pechstein nicht nur gegen Rivalinnen auf dem Eis an, sondern streitet sich auch erbittert mit dem Weltverband ISU.
Schon oftmals hat sie erklärt, ihre Wut auf die Verantwortlichen der „Unrechtssperre“ treibe sie an, immer weiter zu machen. Wie hochsensibel sie auf das Thema reagiert, offenbarte sich auch am Freitag. Erbost zerriss sie nach dem Wettkampf das Formular für den Dopingtest. „Das kann doch nicht wahr sein, in diesem Moment mit dem Formular zu winken“, zürnte sie. Später unterzog sich Pechstein jedoch vorschriftsmäßig dem Test.
Unmittelbar nach dem Rennen sah man noch eine ganz andere Pechstein. Völlig erschöpft und frustriert ließ sie sich auf die Begrenzungsmatten fallen, wo sie zunächst minutenlang schwer atmend liegen blieb. Die Niederlage, das war offensichtlich, hatte sie hart getroffen.