Pyeongchang – der Skihütten-Flop

von Redaktion

Dehnen wir den Begriff „Dahoam“, der über dieser Kolumne steht, doch ein bisschen aus. Daheim ist nicht nur der Ort, an dem man wohnt oder dem man sich, weil man dort geboren wurde, für immer verbunden fühlt. Daheim ist auch, was man per Tagesausflug erreichen kann. Etwa die Tiroler Berge; in eineinhalb Stunden ist man von München aus am Wilden Kaiser. In zwei Stunden (15 Minuten Grenzkontrolle + 15 Minuten abendliche Verwerfungen am Mittleren Ring) ist man zurück.

Klar, dass wir an Ski-Tagen Olympia nicht missen mögen. In verWLANten Gondeln kann man jederzeit Ergebnisse abrufen, doch das ersetzt noch nicht das visuelle Live-Erlebnis. Gut, dass die Hütten alle Fernseher haben. In manchen sind die Bildschirme fast so groß wie Kino-Leinwände.

Aber: Wird das skifahrende Volk diese Olympischen Spiele annehmen?

Unser Test begann am Freitag vor einer Woche, dem Eröffnungstag. Den Einmarsch der Nationen, das „Ich erkläre die Spiele für eröffnet“, den Olympischen-Feuer-Zauber wollten wir sehen – und steuerten in der Skiwelt „Wilder Kaiser“ eine uns wohlbekannte Alm an, an der wir von früheren Aufenthalten die Ofenkartoffel und den modernen TV-Apparat mit dem gestochen scharfen Bild schätzten. Doch diesmal: DJ-Ötzi-Musik dröhnt durchs Haus, der Fernseher ist nicht nur ausgeschaltet, sondern hinter einem alpenrustikalen Brett weggeschlossen. Große Sorge: Wird Olympia 2018 untergehen?

Dann der Mittwoch dieser Woche: gleiches Skigebiet, andere gastronomische Einrichtung. Es läuft stumm Eurosport. Es könnte auch Bloomberg TV, ein Shoppingkanal oder Comedy Central sein: Kein Gast schaut richtig hin.

Das ist nicht zu vergleichen damit, wie wir es vor ein paar Wochen am Pass Thurn am Rande des Kitzbüheler Skigebiets, erlebt haben. Hütte rappelvoll, auch wer aufgegessen hatte, wollte seinen Platz nicht räumen, weil ein Weltcup-Damen-Slalom war und noch die besten 15 kamen. Die örtlichen Skilehrer entlarvten Rücklagen und Innenskifehler, die Österreicher versuchten, so fachmännisch zu reden, dass es die Piefkes nicht verstehen. Ski-Übertragungen und österreichische Skihütten gehören zusammen.

Doch die olympischen Skirennen sind längst vorbei, ehe hier der erste Lift öffnet. Zur Einkehrzeit läuft nur Nicht-Alpin-Programm. Am Mittwoch der Rodel-Doppelsitzer. Deutschland vor Österreich vor Deutschland. Reaktion an den Tischen: Gleichgültigkeit. Die deutschen Gäste sagen nicht „wir“, sondern distanziert „Die Deutschen haben wieder Gold gewonnen“.

Insgeheim sind die meisten aber sehr zufrieden. Es hätte ja auch Eisschnelllauf gezeigt werden können – und es sind gerade sehr viele Holländer am Wilden Kaiser. Günter Klein

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