Hamburg – Nach dem sportlichen Offenbarungseid schlug das Entsetzen in Wut um. Aufgebrachte Anhänger des Hamburger SV versuchten den Innenraum zu stürmen und ihrem Frust über das deprimierende 1:2 gegen Leverkusen Luft zu machen. Während der Partie hatten Chaoten ihrem eigenen Team bereits mit einem geschmacklosen Plakat gedroht: „Bevor die Uhr ausgeht, jagen wir euch durch die Stadt.“
Vieles wirkte so, als sei das düsterste Szenario schon eingetreten. „Wir dürfen uns nicht zerfleischen“, sagte der bisher glücklose Trainer Bernd Hollerbach nach der zehnten Partie in Folge ohne Sieg und dem nächsten großen Schritt in Richtung des ersten Abstiegs. Auch Sportchef Jens Todt sah wie Vorstandsboss Heribert Bruchhagen durch das Plakat „eine Grenze überschritten“.
Die große Enttäuschung der Fans konnten die HSV-Verantwortlichen derweil nachvollziehen. Denn wohl nur noch ein kleines Fußball-Wunder kann den Bundesliga-Dino vor dem Absturz bewahren. „Wir sind heute nicht abgestiegen. Das wäre ja noch schöner“, sagte Bruchhagen nach der 200. Bundesliga-Heimniederlage kämpferisch. Doch das erschreckende Bild, das sein völlig verunsichertes Team abgeliefert hatte, konnte er nicht geraderücken.
Zum Relegationsplatz klafft mittlerweile eine Lücke von sechs Punkten. Falls den Hanseaten der Klassenerhalt erstmals nicht gelingt, dürfe man „keine Apokalypse ausrufen“, sagte Bruchhagen, um sofort wieder seine Hoffnung auf den Klassenerhalt zu betonen: „Es gibt keine Resignation.“ Ähnlich äußerte sich Todt, der seinen Optimismus aus den besseren 20 Schlussminuten nach dem Anschluss von Andre Hahn gewann. Zuvor hatten die Norddeutschen aber nicht nur bei den Gegentoren durch Leon Bailey und Kai Havertz ein denkbar schlechtes Bild abgegeben. „In den ersten 60 Minuten waren wir viel zu gehemmt und im letzten Drittel zu schlampig. Darüber muss ich mit dem Team reden“, sagte Hollerbach folgerichtig.
In seinen vier Partien hat der Franke nicht den Hebel gefunden. Die Situation ist dramatischer als in den Vorjahren, noch nie hat ein Klub mit dieser Ausgangsposition die Klasse gehalten.
Dementsprechend emotional ging es gestern zu. Denn die Partie gegen Bayer war nur der erste Teil eines auf mehreren Ebenen richtungweisenden Wochenendes. Am Tag nach der 14. Saisonniederlage besuchten Bruchhagen und Co. die mit Spannung erwartete Mitgliederversammlung des HSV e.V. mit dem Duell zwischen Amtsinhaber Jens Meier und Herausforderer Bernd Hoffmann um das Präsidentenamt. Der frühere Vorstandsboss Hoffmann hatte zuletzt medienwirksam Wahlkampf betrieben und immer wieder Attacken gegen Meier geritten. .