„Bach ist gegen die Wand gefahren“

von Redaktion

Mit dem Dopingverdacht gegen die Bobpilotin Sergejewa ist die Begnadigung Russlands in weite Ferne gerückt

VON Jörg Mebus und Nikolaj Stobbe

Pyeongchang – Russland droht im Kampf um eine Begnadigung vor der Schlussfeier in Pyeongchang der K.o.: Die Bob-Pilotin Nadescha Sergejewa (30) ist bei den Winterspielen positiv auf ein verbotenes Stimulanzium getestet worden. Dies bestätigten der russische Bobverband und die Delegationsleitung der „Olympischen Athleten aus Russland“ (OAR) am Freitag. Sollte der Dopingfall mit der B-Probe durch den zuständigen Internationalen Sportgerichtshof CAS bestätigt werden, wäre er der zweite OAR-Fall in Pyeongchang nach dem des Curlers Alexander Kruschelnizki. Die Strategie der Russen, auf dem Weg zur Rehabilitierung den Verstoß des Curlers als bedauerlichen Einzelfall hinzustellen, wäre damit hinfällig.

Die B-Probe Sergejewas soll am Samstag ausgewertet werden. Die Russen sind sich über die Tragweite der neuesten Verfehlung im Klaren – am Freitagabend machte sich Resignation breit. „Leider zeugt dieser Fall von der Fahrlässigkeit der Sportlerin. Ich kann sagen, dass sie uns alle enttäuscht hat“, sagte Stanislaw Posdnyakow, der Delegationsleiter der „Olympischen Athleten aus Russland“ der Zeitung Sport-Express.

Auf die Frage, wie sich der Fall auf die IOC-Entscheidung auswirken werde, antwortete Posdnyakow: „Es wird sicherlich kein Punkt zu unserem Vorteil sein.“ Er bestätigte, dass Sergejewa positiv auf das Stimulanzium Trimetazidin getestet wurde, das sie über das Herz-Medikament Preductal eingenommen haben soll.

„Der Bob-Verband Russlands und die Athletin selbst sind sich des Ausmaßes ihrer Verantwortung und der Auswirkungen des Vorfalls auf das Schicksal des gesamten Teams bewusst“, hieß es in einer Mitteilung des Bob-Verbandes. Der russische Curling-Präsident Dimitri Swischtschew sagte Sport-Express mit Blick auf den Fall Sergejewa: „Wenn sie uns nicht wieder zulassen wollen, wird dies der Grund sein.“

Sergejewa war schon einmal auffällig geworden. Die Bob-Pilotin wurde im März 2016 positiv auf Meldonium getestet, gut zwei Monate, nachdem das Herzmedikament auf die Verbotsliste gesetzt worden war. Weil die Konzentration bei ihr unter einem damals definierten Grenzwert lag, wurde sie nicht gesperrt – und deshalb auch für einen Start in Pyeongchang zugelassen.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) bestätigte später, dass es von der OAR-Delegation informiert worden sei. Diese sei von der „Doping-Free Sport Unit“ der Vereinigung aller internationalen Sportverbände (GAISF) über den Fall in Kenntnis gesetzt worden.

Der Nürnberger Pharmakologe Fritz Sörgel sieht nun auch IOC-Präsident Thomas Bach extrem unter Druck: „Er ist mit seiner Strategie der Einzelfallbetrachtung russischer Athleten voll gegen die Wand gefahren.“ Mit der Aussage, die 168 russischen Sportler in Pyeongchang seien sauber, habe sich das IOC „ins eigene Knie geschossen“.

Am Samstag will die IOC-Exekutive entscheiden, ob die Suspendierung des Russischen Olympischen Komitees ROC aufgehoben wird und Russland unter eigener Flagge bei der Schlussfeier am Sonntag teilnehmen darf. Nun hat das IOC kaum noch Argumente für eine schnelle Wiedereingliederung der Russen.

Noch am Freitagmorgen hatte vieles in Pyeongchang für einen Deal zwischen Russland und dem IOC gesprochen. Das ist nun wohl hinfällig.

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