Umgang des IOC mit den Russen

Begnadigung käme zu früh

von Redaktion

Im Russland-Haus am Strand von Gangneung, so erzählen Augenzeugen, wackelten am Freitag die Wände, als die 15-jährige Eiskunstläuferin Alina Sagitova – nach fast zwei Wochen – die allererste Goldmedaille bei diesen Winterspielen für die einst so stolze Sportnation Russland errang. Vor vier Jahren in Sotschi dopten sich die Gastgeber noch auf Rang 1 des Medaillenspiegels, nunmehr finden sich die entlarvten Sportbetrüger weit, weit abgeschlagen auf Rang 15 wieder. Die berühmte russische Seele dürfte schwer gelitten haben. Doch das erste Gold war da nur ein kleiner Trost. Zumal es schon bald darauf eine Hiobsbotschaft gab: den offenbar zweiten Dopingfall im Team der Sportler aus Russland.

Es ist ja massiv darüber gestritten worden, ob sich das IOC nicht zu nachsichtig verhalten habe, als es zwar 39 russische Spitzenkräfte ausschloss, jedoch 169 Russen, die als saubere Athleten eingestuft wurden, das olympische Startrecht einräumte. Es war eine hochkomplizierte Abwägung zwischen abschreckendem Strafmaß und Vermeidung ungerechter Härten. Der vom IOC ausgetüftelte Kompromiss war schließlich nur schwer durchschaubar und wirkte unrund wie ein Eiertanz. Zumal die Freisprüche das Sportgerichtshofs CAS für zusätzliche Verwirrung sorgten.

Nur: Wäre es wirklich besser gewesen, Russland komplett auszusperren – und so mit größter Wahrscheinlichkeit unschuldige Sportler drakonisch abzustrafen? Ohnehin mussten die Russen auf ihre weiß-blau-rote Flagge verzichten und sich unter dem Kürzel OAR (Olympic Ahtletes from Russia) präsentieren. Den Sportlern ihre nationale Identität vorzuenthalten, war sicher auch eine Maßnahme mit durchaus schmerzhafter Wirkung. Das IOC musste Russland tatsächlich nicht komplett verbannen, um die Sünder an den Pranger zu stellen. Man kann es schon auch so sehen, dass es die Spiele der russischen Blamage und versuchter Sühne waren.

Das 169 Sportler zählende OAR-Team hat die Maßregelungen klaglos hingenommen. Trotz des Dopingfalls eines russischen Curlers schien man bereits geneigt, den Russen gute Führung zu attestieren. Nun aber offenbar der zweite Fall von Sportbetrug – eine OAR-Bobfahrerin. Der große Wunsch der Russen war ja, schon bei der Abschlussfeier wieder als vollwertige Sportnation aufzutreten. Doch eine Blitz-Begnadigung dürfte sich nicht realisieren lassen.

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