Robbens Wut als Motivationsspritze

von Redaktion

Heynckes’ Hinrunde endet gegen Berlin – und mit der Standard-Frage: Wer darf spielen? James und Boateng fehlen

von hanna raif

München – Der 1. Oktober des vergangenen Jahres ist schon ein Weilchen her, aber Jupp Heynckes weiß trotzdem noch, was er gemacht hat, zumindest ungefähr. Zwar ist sich der Bayern-Trainer nicht mehr ganz sicher, ob er die gesamten 90 Minuten des 2:2 bei Hertha BSC auf seiner Couch in Schwalmtal verfolgt hat, aber er habe „das Spiel natürlich gesehen“, sagte er am Freitag. Es sollte das vorerst letzte gewesen sein, das der 72-Jährige gemütlich und entspannt ansehen konnte, aber ganz unbefangen war er nicht mehr.

Die Entscheidung, eine vierte Amtszeit in München anzutreten, war an diesem Tag zwar noch nicht gefallen („ich hatte noch eine Woche Zeit, zu überlegen“), zeichnete sich aber ab. Zwei Wochen später, beim 5:0 gegen den SC Freiburg, saß Heynckes wieder auf der Trainerbank. Wenn also an diesem Samstag (15.30 Uhr) Hertha BSC in der Allianz Arena gastiert, hat der Altmeister unter den Bundesliga-Trainern gegen jede Mannschaft ein Mal gespielt.

Dass die Bilanz seiner persönlichen Hinrunde eine nahezu makellose ist, ist hinlänglich bekannt. Mit 19 Punkten Vorsprung an der Tabellenspitze gehen die Bayern in diesen 24. Spieltag, bei der Meister-Rechnung geht es längst nur noch um das „Wo?“ und „Wann?“. Alles gut, alles im Soll – und trotzdem stellte der Coach drei Tage nach dem 5:0 gegen Besiktas Istanbul ganz nebenher, aber ausdrücklich klar: „Es kann kein Relaxen geben.“

Er wählte diese Worte vor allem mit Blick auf den internen Konkurrenzkampf, der – obwohl James (Wadenverhärtung) und Jerome Boateng (Infekt) gegen Berlin sicher ausfallen und Joshua Kimmich sowie Mats Hummels angeschlagen sind – auf nahezu allen Positionen weiterhin für Konfliktpotenzial sorgt. Wie gerne jeder spielen will, und vor allem wie ungerne Reservisten-Rollen akzeptiert werden, hatte nach dem Sieg im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League Arjen Robben exemplarisch vorgelebt. „Das wird doch alles überbewertet, das ist doch nicht dramatisch“, sagte Heynckes. Er, selbst einst ein eifriger Spieler, bleibt dabei: Schimpfende Profis sind Profis, „die ehrgeizig, leidenschaftlich und absolut professionell“ sind. Wenn also einer wie Robben wütend nach Hause fährt, sei das „motivierend für die ganze Truppe“.

Nun ist der Fall des Niederländers freilich ein besonderer. Heynckes hat in der vergangenen Woche gleich zwei lange Gespräche mit dem 34-Jährigen geführt, mit ihm über seine Rolle innerhalb des Teams, seinen Stellenwert und seine Leistungsfähigkeit gesprochen. Es hatte sich nach dem Einsatz beim 2:1 in Wolfsburg abgezeichnet, dass am Dienstag andere auf dem Platz stehen würden. Für einen, der „einen Körper hat, den sich jeder Bildhauer wünschen würde“, „der morgens vor dem Training im Fitnessraum ist“, „der ein Vorbild in diesem Verein ist“, ist das noch schwerer zu akzeptieren als für andere.

Heynckes weiß, dass ihm Gespräche dieser Art in den kommenden Wochen regelmäßig bevorstehen. Er hat eine Situation zu moderieren, die ihre Tücken hat – das hat er nicht zuletzt beim Last-Minute-Erfolg in Wolfsburg gesehen. Dort hatte der Trainer durchrotiert, und das, sagte er nun, sei nun „etwas, worüber ich nachdenke“. Manche brauchen ihren Rhythmus, andere mehr Pausen: Und am Ende muss immer „eine homogene Mannschaft“ auf dem Feld stehen. Am Freitag grübelte Heynckes vor allem darüber, wie er den genesenen Thiago nach und nach integrieren könne. Eine Einsatzgarantie wie in der vergangenen Woche gab es vorab nicht.

Mit Blick auf die Zeit seit dem 1. Oktober kann man sich relativ sicher sein, dass er eine Lösung finden wird. „Diese halbe Heynckes-Saison ist schon fast historisch“, sagt Vereinsboss Karl-Heinz Rummenigge. Geht es nach ihm, sollen bekanntlich noch eineinhalb hinzukommen. Mindestens. Die Couch würde theoretisch ja auch noch 2019 in Schwalmtal stehen.

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