Es ist wie alle vier Jahre beeindruckend schnell gegangen, dass aus dem „Team Deutschland“ im knapp 9000 Kilometer entfernten Pyeongchang ein simples „wir“ wurde. „Haben wir eine Medaille geholt?“, „Wie ist unsere Staffel gerade platziert?“ und „Wo stehen wir im Medaillenspiegel?“ sind während den Olympischen Spielen übliche Fragen, aufgeschnappt auf der Straße, in der Tram, im Flugzeug, am Telefon und auch daheim in den eigenen vier Wänden. Alles ganz normal – oder war der temporäre Patriotismus heuer doch noch ausgeprägter als bei zurückliegenden Großereignissen?
Mir ist es jedenfalls so vorgekommen, und bei der Suche nach Gründen bin ich relativ schnell in der vergangenen Woche gelandet. Der fulminante Start der deutschen, – Pardon! – „unserer“ Mannschaft hat ja alle in einen kleinen Höhenflug versetzt. Jeden Tag mindestens eine Goldene, so sollte es weitergehen. Dass eine Eilmeldung verbreitet wurde, als die Norweger „uns“ plötzlich überholt haben, passte nur zu gut ins Bild. Unerhört!
Eine Frage, die ich jetzt bewusst an „uns“ alle stelle: Wen außer die Widersacher aus Norwegen hat man aktiv verfolgt? Die Österreicher und Schweizer, die für sich starke Bilanzen vorweisen? Kaum. Die aktuell drittplatzierten Kanadier. Auch nicht. Die Spanier, die sich über ihre zwei bronzenen Medaillen im Winter freuen wie die Schneekönige? Nullkommanull. Es ging zwei Wochen lediglich darum, dass „uns“ niemand zu nahe kommt. Oder noch schlimmer: „Uns“ schadet.
Das beste Beispiel dafür ist mein Vater. In einer sogenannten „Patchwork“-Familie vereinen sich ja gerne mehrere Nationalitäten, und wenn man dann Angehörige in Schweden hat, war das in diesem Jahr natürlich besonders gut. Nach dem Eishockey-Viertelfinale fand eine Nachricht im Familien-Chat den Weg nach Skandinavien, die ein einziges Bild zeigte: Jubelnde deutsche Spieler. Das familiäre Wir-Gefühl steht seitdem auf der Probe. Eine Antwort aus Schweden hat er mir bis heute nicht gezeigt. hanna raif