Pyeongchang – Wie gern hätten die russischen Eishockey-Spieler ihre Nationalhymne gehört, als sie Gold gewonnen hatten? Wie stolz hätten sie nach dem Sieg über die deutsche Mannschaft hinauf zu ihrer Fahne geschaut? Stattdessen musste sich die „Olympischen Athleten aus Russland“, als die sie in Pyeongchang gestartet sind, bei ihrer Siegerehrung mit der olympischen Hymne und der weißen Fahne mit den Ringen begnügen. Als Strafe für die Doping-Manipulationen in den vergangenen Jahren.
„Wenn Du für Dein Land spielst und diese Medaille gewinnst, ist es ein wichtiger Moment, besonders zu dieser Zeit“, sagte Kapitän Pawel Dazjuk. „Wir haben für unsere Fans gespielt und alles, was in unserem Herzen ist.“ Auch zur Schlussfeier durften die Russen noch nicht ihre weiß-blau-rote Fahne mitnehmen. Die russischen Eishockey-Fans störten sich indes nicht am sportpolitischen Hickhack. Mit „Russland, Russland“-Sprechchören feierten sie ihr Team.
Der Bann für das Russische Olympische Komitee (ROC) endet voraussichtlich schon in ein paar Tagen. Das IOC-Exekutivkomitee entschied am Sonntag, die im Zuge des Doping-Skandals verhängte Suspendierung vor der Abschlussfeier der Winterspiele noch nicht aufzuheben. Die Begnadigung soll aber erfolgen, wenn alle Doping-Proben von Pyeongchang als negativ bestätigt werden.
Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, nannte den Beschluss ein „Ausrufezeichen für den Weltsport“. Die Russen kommen allerdings gut davon. Sie werden rehabilitiert, obwohl sie den so genannten McLaren-Report, in dem die großangelegten Manipulationen in ihrem Land dokumentiert sind, nach wie vor nicht anerkennen. Außerdem ist ihre Anti-Doping-Agentur gesperrt, weil sie den internationalen Standards nicht gerecht wird.
Das ROC erwartet, dass seine IOC-Mitgliedschaft schon „in den nächsten Tagen wieder in Kraft gesetzt wird“, wie es mitteilte. Auch Nicole Hoevertsz, die mit ihrer IOC-Kommission das Verhalten der Russen während der Spiele beobachtet und bewertet hat, geht laut der russischen Nachrichtenagentur Tass davon aus, dass der Bann schon in den ersten Märztagen aufgehoben werden kann. Binnen 72 Stunden würden die Dopingproben der Russen analysiert.
Falls diese sich als negativ erweisen, werde die Suspendierung automatisch enden, sagte IOC-Präsident Thomas Bach. Es wäre ein Schlusstrich unter das „russische Drama“ (Hoevertsz). Falls es bei späteren Untersuchungen eingefrorener Pyeongchang-Proben neue Hinweise auf Doping durch russische Athleten gäbe, „würden die genauso behandelt wie die von allen anderen Nationen“, betonte Bach.
Einen „Schlüsselfaktor“ nannte er die Dopingfälle des Curlers Alexander Kruschelnizki und der Bobfahrerin Nadeschda Sergejewa. „Das war sehr enttäuschend und hat das IOC – zusätzlich zu anderen Überlegungen – davon abgehalten, die Suspendierung für die Schlussfeier aufzuheben“, teilte das IOC mit.
„Wir machen mit dieser Entscheidung nicht alle glücklich“, sagte Hoevertsz, die Vorsitzende der Bewertungskommission. Zu den Dopern sagte sie: „Beides waren individuelle Fälle. Es gab keine Hinweise auf systematisches und organisiertes Doping.“