Die verflixte „zwei“

von Redaktion

Während Friedrich und Walther feiern, geht Lochner auf Ursachenforschung – Wallner hilft

von hanna raif

Pyeongchang/München – Die „schönsten zwei Wochen“ seines Lebens sollten die Olympischen Spiele in Pyeongchang werden, und wenn man Johannes Lochner in der Retroperspektive fragt, dann gab es ja durchaus auch wertvolle Momente. Das olympische Dorf, das Deutsche Haus, in dem die Bobfahrer „jeden Tag zum Essen zusammen saßen“, das ganze Drumherum – beeindruckend und sicherlich unvergesslich. Aber an das, was auf dieser verflixten Bahn im „Alpensia Sliding Center“ passiert ist, schaut der 27-Jährige gar nicht gerne zurück.

Es ist noch in seinem Kopf, es beschäftigt ihn. Aber auch im Nachhinein wird er nicht schlau aus seinen olympischen Platzierungen: Rang fünf im Zweier, Rang acht im Vierer. Die Heimreise trat der Berchtesgadener gestern ohne die fest eingeplante Medaille an. Das tat weh.

Wer als Gesamtweltcup-Sieger im Viererbob anreist und die Konkurrenz im großen Schlitten die gesamte Saison über dominiert hat, hat freilich keinen großen Spaß daran, anderen beim Feiern zuzusehen. Der historische Doppelsieg von Francesco Friedrich und Nico Walther hat für beste Laune im deutschen Lager gesorgt und bewiesen, das der von Bundestrainer Rene Spies eingeschlagene Weg der richtige ist. Während seine beiden Mannschaftskollegen aber von Blumenzeremonie über Medaillenübergabe ins TV-Studio und von da aus zur rauschenden Siegesfeier eilten, war Lochner noch mit sich selbst beschäftigt. Er sagt: „Es gibt genau eine einzige Kurve auf der ganzen Welt, die ich nicht treffe.“ Dass diese ausgerechnet auf der Bahn seiner olympischen Premiere gebaut wurde, ist bitter. Die blöde „zwei“.

Schon im Training hatte sich angedeutet, dass sein Schlitten des österreichischen Herstellers Johannes Wallner nicht ganz so auf Geschwindigkeit kommt wie gewohnt. Friedrich war im baugleichen Modell unterwegs, traf aber die „Kurve zwei“ deutlich besser. Lochner gab schon nach dem ersten Tag der olympischen Entscheidung – den er auf Platz fünf beendet hatte – zu: „Ich habe alles probiert, aber ich weiß in dieser Kurve einfach nicht, wo ich bin.“ Weder volles Risiko noch gefühlsvolles Lenken zahlten sich aus. Lochner fuhr schlicht und ergreifend hinterher.

Der Frust war in der Nacht zwischen den Läufen groß, im Nachgang aber noch viel größer. Er kündigte an, „den kompletten Schlitten auseinanderzunehmen“, um den Fehler womöglich im Nachgang zu finden. Immerhin kann er sich bei der Ursachenforschung auf seinen Unterstützer Wallner verlassen. Der Tiroler feierte zwar auch mit Doppel-Olympiasieger Friedrich, ließ aber noch von vor Ort verlauten: „Ich werde den Hansi vier Jahre unterstützen – und in Peking schlägt dann seine Stunde.“

Tröstende Worte, die aktuell vielleicht wenig helfen, mit Weitblick aber wertvoll sein könnten. Denn sowohl für Lochner als auch für Wallner steht – obwohl der Verband die kostspielige Doppel-Lösung im Materialsektor sicherlich auf die Probe stellen wird – fest, dass sie gemeinsam wieder in die Siegesspur finden wollen. Vielleicht werden die zwei Wochen in Peking 2022 dann tatsächlich die schönsten seines Lebens. In jeder Hinsicht. hanna raif

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