München – Er war einer der ersten großen Sieger der Olympischen Spiele in Pyeongchang. In den drei Wettbewerben räumte der Münchner optimale drei Medaillen ab. Im Interview spricht der 22-Jährige über den Erfolg und seine Folgen.
-Nach den Olympischen Spielen und Ihren drei Medaillen wird einiges auf sie eingestürmt sein. Wie sahen die ersten Tage danach aus?
Es gab unglaublich viel Rückmeldung, ob direkt oder aufs Handy. Das ist schon cool, wenn man merkt, wie viel Anteil die Umgebung nimmt. Wobei ich die ersten Tage erst einmal bei meinen Lieben verbracht habe. Die Gemeinde etwa habe ich gebeten, den Empfang auf April oder Mai zu verschieben. Für so etwas möchte ich den Kopf frei haben, denn das möchte ich in vollen Zügen genießen. Aktuell ist das noch nicht möglich, weil ich jetzt erst einmal weiter auf hohem Niveau Skispringen möchte.
-Es gibt schließlich noch Ziele. Im Gesamtweltcup liegen Sie auf Platz drei, knapp 200 Punkte hinter Spitzenreiter Kamil Stoch. Ist die Spitze noch angreifbar?
Es ist auf jeden Fall eine sehr gute Ausgangsposition. Und ich werde alles versuchen, auf Kamil und den Ritsch (Stoch und Freitag, Anm. d.Red.) Druck zu machen. Es kommen noch einige Springen. Und da kann es manchmal schnell gehen. Auch Kamil, der aktuell in einer wirklich guten Form ist, muss seine Sprünge erst einmal hinunter bekommen. Sollte Kamil auslassen, möchte ich da sein.
-So wie in Pyeongchang, als sie auf der kleinen Schanze im zweiten Durchgang noch von Platz fünf auf Platz eins flogen.
Ja, und daraus ist etwas ganz Besonderes entstanden. Mit der Goldmedaille hatte ich schon mehr erreicht als ich mir gewünscht hatte. Bei der Siegerehrung ganz oben zu stehen, die Feiern im Deutschen Haus, das ist das definitiv Schönste, was man erleben kann. Dass es dann auch noch zu zweimal Silber gereicht hat, ist unfassbar geil.
-Wie schwer ist es, nach einem solchen Highlight, die Spannung hoch zu halten?
Das ist zum Beispiel so eine Sache, in der ich meine Erfahrungen gesammelt habe. Ich durfte ja inzwischen auch schon fünf Jahre dabei sein. Und in der Vergangenheit war es schon meistens so, dass nach einem Großereignis der Name Wellinger auf den Ergebnislisten weiter hinten zu finden war. Das ist auch ein Grund, warum ich mich nach der Rückkehr erst einmal zurückgezogen habe. In Lahti hat es in der Mannschaft ganz gut funktioniert, im Einzel nicht ganz so. Aber das zieht sich bei mir in diesem Jahr ja generell so durch, die Wellenbewegungen sind größer als im letzten Jahr. Aber die Spannung ist auf alle Fälle da. Daran habe ich gearbeitet.
– Eine andere große Gewinnerin von Pyeongchang, Laura Dahlmeier, hat sich bei den Spielen grundsätzliche Gedanken gemacht. Selbst ein Karriereende ist nicht ausgeschlossen. Ist das für Sie nachvollziehbar?
Als Sportler verzichtest du natürlich schon frühzeitig auf sehr viel. Ich kann mir schon vorstellen, dass da früher oder später der Moment kommt, in dem du dir Gedanken machst. Bei mir gibt es die aber nicht. Ich lebe meinen Sport viel zu gerne, als dass ich jetzt ans Aufhören denken würde.
-Sie haben mit 22 Jahren Edelmetall bei Olympia und Weltmeisterschaften gewonnen, standen bei der Vierschanzentournee auf dem Podest. Was treibt Sie an?
Mich treiben die Momente an, die man als Sportler erlebt. Ich durfte schon viele Erfolge feiern. Das ist natürlich Bestätigung und Motivation. Du willst immer mehr. Ich bin bei der Vierschanzentournee auf dem Podest gestanden, aber natürlich willst du immer ganz nach oben. Ok, das wollen auch andere. Aber ich merke eben auch, dass ich noch nicht am Ende bin. Dass ich noch immer weiter kommen und den nächsten Schritt in meiner Entwicklung gehen will.
-Der nächste Schritt wäre, auf eine Stufe mit einem Mann wie Kamil Stoch zu kommen. Was hat er Ihnen im Moment noch voraus. Was kann man sich abschauen?
Eine Sache bei ihm ist sein Hunger. Der ist immer noch da. Er will immer noch mehr, obwohl er eigentlich alles gewonnen hat. Und er hat die Erfahrung, dafür im richtigen Moment das Richtige zu tun. Aber natürlich braucht auch er, eine Portion Glück. Das hat man bei der Vierschanzentournee gesehen. In Oberstdorf hat er die mit Abstand besten Bedingungen gehabt. Aber: Er hat sie halt auch genutzt. Und dann hat die Tournee für ihn die Dynamik bekommen, die du halt auch brauchst.
-Kann auch die Mannschaft ein Faktor sein? Die deutsche ist noch jung, mit Severin Freund kommt zur nächsten Saison bei normalem Verlauf noch ein Topmann dazu. Das lässt gerade für die Mannschaftswettbewerbe hoffen.
Definitiv. Aber für die Einzelwettbewerbe genauso. Man hat das in diesem Winter ja schon gesehen. Wir pushen uns gegenseitig. Und wenn es beim Ritsch und bei mir nicht optimal läuft, dann kommt der Eisei (Markus Eisenbichler, Anm. d.Red.) und wird Zweiter wie jetzt gerade. Und mit Severin werden wir sicher noch stärker. Da freue ich mich schon sehr darauf.
-Welchen Anteil hat denn Bundestrainer Werner Schuster an Ihren Erfolgen?
Das ist etwas, was man schwer messen kann. Der Cheftrainer hat ja mehr die Aufgabe, alles zu koordinieren, die richtigen Weichen zu stellen. Er muss das Skisprungsystem am Laufen halten. Und das tut er seit Jahren extrem gut. Er ist aber auf jeden Fall ein Trainer, der den jungen Springern eine Chance gibt. Davon habe auch ich natürlich sehr profitiert. Die tägliche Trainingsarbeit mache ich mit Christian Winkler, der hat, wie alle anderen Trainer im System auch, einen großen Anteil am Erfolg.
-Seine Zukunft ist momentan allerdings ungeklärt. In Pyeongchang ließ er immer wieder Gedanken an Rückzug durchblicken.
Das ist eine rein persönliche Entscheidung von ihm. Wie motiviert ist er, weiter so viele Tage im Jahr unterwegs zu sein. Es kann ja immer sein, dass jemand mal mehr Zeit für die Familie haben will. Für uns ist das ganz schwer zu sagen. Normalerweise gibt der Werner bei uns schon Einblicke, was er so denkt. Und: er informiert immer zuerst das Team, wenn er wichtige Entscheidungen fällt.
-Denken Sie, Sie haben mit ihren Medaillen eher Argumente zum Bleiben oder zum Aufhören gebeben?
Da ist alles möglich. Wenn man jetzt rein nach den Erfolgen der letzten Jahre geht, dann kann man sicher sagen: die Mission ist erfüllt. Aber auch Werner will immer noch mehr erreichen und wir Springer werden auf jeden Fall weiter hart arbeiten und schauen, dass wir dem Trainer und auch allen Leuten viel Spaß machen.
Interview: Patrick Reichelt