„Es ist ein Trauma für uns alle“

von Redaktion

Brasiliens Cafu über das 1:7 gegen Deutschland, die Stärken von Löws Team, Bayerns Chancen in der Champions League und Rafinhas Zukunft

München – Der Brasilianer Cafu (47) ist der einzige Spieler, der an vier Weltmeisterschaften teilgenommen hat. Drei Mal stand er im Finale, 1994 und 2002 gewann er den Titel. Im Interview spricht der Laureus-Botschafter über das Duell seiner Landsleute mit Deutschland – um Brasiliens 1:7-Niederlage gegen die DFB-Auswahl im Halbfinale der bei der Heim-WM vor vier Jahren kommt man bei so einem Gespräch nicht herum.

-Cafu, in Berlin treffen der Titelverteidiger und der Rekord-Weltmeister aufeinander – sind das auch die Top-Favoriten beim Turnier in Russland?

Ich denke, jeder von uns hat bei einer WM immer die traditionellen Fußball-Nationen oben auf dem Zettel, wobei ich auch Belgien eine Überraschung zutraue. Deutschland und Brasilien sind in meinen Augen die Top-Anwärter. Ich bin sicher: Wer Weltmeister werden will, muss Deutschland schlagen. Der Weg zum Titel führt in Russland wohl nur über Deutschland.

-Wie sehr wirkt das 1:7 vom Halbfinal-Duell zwischen der DFB-Auswahl und Ihren Landsleuten vor vier Jahren noch nach?

Wir haben an Erfahrung gewonnen (lächelt). Nein, aber jetzt im Ernst: Dieses 1:7 wird für immer in der Seele des brasilianischen Fußballs bleiben. Es ist ein Trauma für jeden von uns. Wissen Sie, was das Wort „Maracanaço“ bedeutet?

-Da geht es um die Heim-WM 1950, oder?

Richtig. Der sogenannte „Schock von Maracanã“. Es war das entscheidende Spiel der WM, 200 000 Menschen im Maracanã, bis heute ist das Rekord. Brasilien war haushoher Favorit, aber Uruguay gewann 2:1. Jeder Brasilianer weiß den Namen des Siegtorschützen bis heute: Alcides Ghiggia. „Maracanaço“ steht übertragen für eine überraschende, endgültige Niederlage auf ganzer Linie. Dieses Spiel ist ein Trauma, und genauso ist es mit dem 1:7 gegen Deutschland. Auch hier hat sich seitdem ein Wort in unserer Sprache etabliert: „Mineiraço“, das bedeutet so viel wie der „Schock von Mineirao“.

-Wo haben Sie dieses 1:7 erlebt?

Im Stadion. Ich blieb bis zum Schluss.

-Wie steht es heute um Ihren Schmerz?

Er ist gegangen.

-Brasilien tritt ohne Neymar gegen Deutschland an. Wie schwer wirkt sich der Verlust aus?

Sehr. Er ist einer der besten Spieler der Welt, wenn nicht sogar der Beste. Deutschland hat so einen Spieler nicht, aber die Stärke von Joachim Löws Team ist ja das Kollektiv. Sie arbeiten als Team phänomenal. Man kann keinen Spieler herausheben, aber das ist kein Makel. Sie haben alle ihre Qualitäten.

-Wie bewerten Sie die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Fußballs – die Bundesliga fällt im Vergleich zu England und Spanien zunehmend ab.

Um ehrlich zu sein, verstehe ich die Frage nicht. Der deutsche Fußball steht sehr gut da. Die Bayern stehen im Viertelfinale der Champions League – und sie haben gute Chancen, diesen Titel zu holen.

-Aber hinter dem FC Bayern klafft in der Bundesliga ein Qualitätsloch.

Schauen Sie die anderen europäischen Top-Ligen an: Überall sind ein, zwei Spitzenteams vorne, und dahinter kommt irgendwann der Rest. In der Premier League ist es an und für sich etwas enger, aber dieses Jahr erstickt Pep Guardiola mit Manchester City alles. Die Bundesliga ist die Bundesliga – und nach wie vor eine der besten Fußball-Ligen der Welt. Spanien, England, Italien, Deutschland – an der Spitze haben sie alle ein ähnlich hohes Level.

-Warum trauen Sie dem FC Bayern den Coup in der Champions League zu?

Sie haben die Klasse, um alle zu schlagen. Das ist ein großartiges Team mit einem großartigen Trainer Jupp Heynckes, der weiß, wie man die Champions League gewinnt. Allerdings stehen im Viertelfinale auch noch andere Kaliber, die sehr gute Aussichten haben: Manchester City, Real Madrid, der FC Barcelona. Es wird spannend wie jedes Jahr.

-Sie waren einst als rechter Verteidiger das Maß aller Dinge. Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Landsmanns Rafinha, der beim FC Bayern die gleiche Position spielt und um einen neuen Vertrag pokert?

Es liegt an ihm, ob er in München bleibt. Rafinha ist ein großartiger Spieler, den man nie unterschätzen sollte. Er hat über viele Jahre bewiesen, dass er auf dem allerhöchsten Niveau spielen und bei einem Top-Klub eine wichtige Rolle einnehmen kann. Dass er seinen Job eher unauffällig macht, heißt ja nicht, dass er schlecht ist. Im Gegenteil. Das ist auch eine Qualität.

Interview: Andreas Werner

Artikel 1 von 11