Bayreuth – Christian Köppel sank erschöpft in den Rasen, wie das häufig nach großen Pokal-Schlachten zu sehen ist. Der Rest der Beteiligten ging im Eiltempo zur Tagesordnung über. Die Spieler der SpVgg Bayreuth standen schon bald auf der Schwelle zum VIP-Raum und feierten mit lauwarmem Cevapcici in Pappschalen ihren Vorstoß ins Halbfinale des Totopokals. Die unterlegenen Löwen kamen mit Badelatschen aus der Kabine, trauerten routiniert der verpassten Chance auf das kleine „Double“ hinterher, doch selbst 1860-Coach Daniel Bierofka, sonst der Ehrgeiz in Person, konnte der 1:2 (0:0)-Pleite in Bayreuth auch positive Seiten abgewinnen. „Ich habe gesehen: Auf wen kannst du dich verlassen? Wer hat vielleicht noch ein paar Schwierigkeiten, wenn’s hart auf hart kommt?“ Seiner B-Elf, die er nicht als solche ansah, wollte er keinen Vorwurf machen. Michael Görlitz, der bei seinem Startelf-Debüt blass geblieben war, meinte: „Klar wäre speziell ich gerne als Sieger vom Platz gegangen. Leider haben wir uns hintenraus etwas dumm angestellt.“
7123 Zuschauer durften sich schon vor dem Anpfiff als Gewinner fühlen, als Profiteure einer noch im Herbst 2017 beschlossenen Spielverlegung. Statt winterlicher Kälte wie am zweiten Adventswochenende umgab gestern ein Hauch von Frühling das gut besuchte Hans-Walter-Wild-Stadion. 113 Tage lagen zwischen dem ursprünglichen Termin der Viertelfinalpartie (8. Dezember) und der Austragung am gestrigen Ostermontag – vermutlich ein Allzeit-Rekord im höherklassigen Fußball. Zur Erinnerung: Damals war gerade die neue ICE-Strecke zwischen München und Berlin eingeweiht worden, Deutschland hatte noch nicht ansatzweise eine Regierung – und selbst Olympia in Pyeongchang war noch zwei Monate entfernt.
Nicht geändert hat sich aus Löwen-Sicht das undefinierte Verhältnis zwischen Hasan Ismaik und der aktuellen Vereinsführung. Vor diesem Hintergrund überraschte es ein wenig, dass am Tag vor dem Spiel ein humoristisch gemeinter Beitrag des Investors die sozialen Netzwerke beschäftigte. Zwei Monate nach seinem letzten Beitrag hatte sich Ismaik bei Facebook zu Wort gemeldet – mit einer Meldung, die unschwer als Aprilscherz zu erkennen war. Weil er in München nicht recht weiterkomme, habe er beschlossen, einen neuen Verein zu gründen, den „TSV 1860 Amman“, phantasierte Ismaik. Gerhard Mayrhofer solle Präsident werden, Gerhard Poschner einer der Geschäftsführer . . . und spätestens an dieser Stelle dürfte es auch dem letzten 1860-Fan gedämmert haben: April, April! Ismaik sammelte Humorpunkte und löste den Gag sicherheitshalber selber auf. 1860 sei natürlich „nicht kopierbar“, schrieb er am Morgen des 2. April. Dem Subtext war auch zu entnehmen, dass er den Löwen treu blieben will, was nicht alle im Verein so lustig finden dürften.
Unterhaltsamer als das anfängliche Treiben in Bayreuth war der Scherz allemal. Entgegen seiner Ankündigung brachte Bierofka eine um Neuzugang Görlitz verstärkte B-Elf – und die spielte auch so. Ersatzkapitän Lukas Aigner musste schon nach wenigen Minuten zu einer Rettungsgrätsche ansetzen. Im Sturmzentrum wartete Felix Bachschmid vergeblich auf Zuspiele. Der Fünferabwehrriegel, den Bayreuth gebaut hatte, war fast ein bisschen zu viel der Absicherung gegen harmlose Löwen. Einsamer Höhepunkt vor der Pause: ein Distanzschuss von Görlitz, der zu einer Ecke führte, die in Abwesenheit der Standard-Experten um Steinhart, Karger, Ziereis, Mauersberger, Mölders und Co. nicht im Ansatz Gefahr heraufbeschwor.
Zumindest das Defizit an Spannung wurde nach der Pause wettgemacht. Lucas Genkinger brachte die Löwen mit einem Fernschuss in Führung (57.). Drei Minuten später führte eine Oscar-reife Schwalbe zu einem Strafstoß, bei dem sich Hiller-Vertreter Bonmann vergeblich streckte. Feiern lassen durfte sich der eingewechselte Patrick Hobsch, Sohn des früheren Löwen-Stürmers Bernd Hobsch. Spektakulär ging es weiter: Bonmann glänzte mit einer Dreifach-Fußabwehr gegen frech gewordene Gastgeber (62.), Türk vergab im Gegenzug das 1:2. Und dann nahmen die Dinge ihren Lauf.
Als Görlitz schon unter Dusche stand, brachte Bierofka doch noch Serientorjäger Markus Ziereis, aber zu spät. Alle hatten sich bereits auf ein Elfmeterschießen eingestellt, nur die jugendliche 1860-Defensive schlief und ließ sich auskontern. Hobsch durfte ein zweites Mal jubeln und Bierofka schon mal voraus auf Schweinfurt blicken. „Am Samstag“, sagte er, „wird wieder eine ganz andere Mannschaft auf dem Platz stehen.“