Der EHC gewinnt, sein Publikum verliert

von Redaktion

Serie zwischen München und Mannheim steht weiterhin im Zeichen des Fouls und Verhaltens von Steve Pinizzotto

Von Günter Klein

München – Ein Eishockeyspiel dauert 60 Minuten. Oder auch mal 85:30 Minuten. Erst dann – und nach einer Bruttospielzeit von 3:39 Stunden war es vorbei: Mads Christensen gelang für den EHC München in der zweiten Verlängerung das 2:1 (1:0, 0:0, 0:1, 0:0, 1:0) gegen die Adler Mannheim und die 2:1-Führung in der Best-of-Seven-Halbfinalserie. Aber: München wankte, war nur im ersten Drittel, in dem Wolf traf (9.), überlegen; danach wirkten die Adler frischer, hatten mehr Schüsse, glichen durch Setoguchi folgerichtig aus (50.), drückten in der Overtime. Vergebens.

Es war ein faszinierend gutes Spiel in der erstmals in den Playoffs mit 6142 Zuschauern ausverkauften Münchner Olympia-Eishalle. Höllentempo von beiden Seiten, hingebungsvolle Abwehrarbeit vor den Toren, taktische Disziplin in Vollendung. Altbundestrainer Xaver Unsinn selig pflegte im Angesichts solcher Highlights stets zu sagen: „Werbung fürs deutsche Eishockai.“

Die sportliche Klasse, die sich beim Halbfinalduell zwischen München und Mannheim offenbart, ist die schöne Seite, die den Werbeclaim von den Playoffs als „Geilste Zeit“ rechtfertigt. Doch die Geschichte hat auch eine unrühmliche, und sie überschattete auch das zweite und gestrige dritte Spiel. Weit über den inneren Zirkel des Eishockeys wird darüber gesprochen: Der Münchner Steve Pinizzotto hatte am Donnerstagabend beim Halbfinalauftakt den Mannheimer Matthias Plachta dermaßen in die Bande gerammt, dass die Liga ihn für fünf Spiele sperrte und zu einer Geldstrafe verurteilte. Plachta war schwer benommen auf dem Eis liegen geblieben, Pinizzotto hatte ihn dabei noch verhöhnt. Am Samstag konnte Plachta, einer der deutschen OlympiaSilbermedaillengewinner, nicht spielen. Jedoch: Am Ostermontag in München nahm er seinen Platz in der ersten Reihe wieder ein.

Vor dem Hintergrund der Bilder vom Donnerstag, die mindestens auf eine Gehirnerschütterung schließen ließen, kam das Comeback überraschend schnell. Es wäre für das Münchner Publikum aber ein Anlass gewesen, Plachta freundlich zu empfangen und die Akte Pinizzotto zu schließen, wie Adler-Trainer Bill Stewart es am Samstag getan hatte („Was war, das war“). Doch von Fair-Play der Nordkurve keine Spur. Zwar zog sie ein Riesenbanner auf, auf dem die Buchstaben EHC für „Ehre Herz Courage“ standen, doch genau diesem Anspruch wurde sie nicht gerecht. Matthias Plachta wurde ausgepfiffen, wahlweise „Arschloch“ und „Schauspieler“ genannt. Entsetzen bei denen, die die Übertragung verfolgten. Marc Hindelang, Vizepräsident des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB), meinte auf Twitter: „Fremdschämen pur.“

So wird die Atmosphäre bei den verbleibenden Spielen – Fortsetzung am Mittwoch in Mannheim – nicht entspannter. Bei den Adlern ist man übereingekommen, Steve Pinizzotto nicht mehr beim Namen zu nennen. Für Geschäftsführer Daniel Hopp ist er „der Spieler mit der Nummer 14“, auch Marcus Kink, Stürmer, der am Samstag das Tor zum 4:2-Erfolg der Mannheimer schoss, drückt sich so aus. Kink selbst wurde gestern in München jedoch ebenfalls mit einem Check gegen den Kopf auffällig – ohne Folgen für den Gegenspieler,

Eigentlich darf es zu dem, was Pinizzotto am Donnerstag veranstaltet hatte, keine zwei Meinungen geben – man findet die alternative Sichtweise aber doch. Münchner Fans gingen sofort in den Verteidigungsmodus über, im Gästeblock in Mannheim wurde demonstrativ ein Pinizzotto-Trikot hochgehalten, als wäre der Deutschkanadier ein Justizopfer. Auf Twitter vertrat der ehemalige EHC-Verteidiger (2002 bis 06) Manuel Hiemer, die steile These: „Plachta hätte ganz einfach seine Verletzung vermeiden können, indem er voll in den Check geht, anstelle sich ,einzuducken’.“ Aus der offiziellen Begründung der DEL für die Sperre von Pinizzotto, dem Wiederholungstäter, las er „fast schon einen ,Freispruch’“ heraus.

Sollte sich die Serie über die Volldistanz von sieben Spielen ziehen, wäre Pinizzotto noch einmal dabei. Bis dahin würde noch viel geredet werden.

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