Dortmund/München – Um zu verstehen, wie Matthias Sammer den Fußball lebt, schadet es nicht, mal mit ihm zusammengesessen zu haben. Über die Salz- und Pfeffer-Streuer als Accessoires des berühmten Abendessens von Pep Guardiola und Thomas Tuchel ist zu genüge geredet worden, über den Zettel von Matthias Sammer aber nicht. Dabei ist der am Ende eines Gesprächs mit dem 50-Jährigen meist so voll, dass man das Weiß des Papiers nur noch erahnen kann.
Ja, der ehemalige Sportvorstand des FC Bayern mag manchmal nicht leicht zu verstehen sein und manchmal eine Meinung haben, die nicht allen gefällt – aber: Er hat klare Vorstellungen, Visionen und Prinzipien, die in der Bundesliga nicht nur via TV als Experte gefragt sind. Nicht ohne Hintergrund verspricht sich Borussia Dortmund viel davon, dass der frühere Meisterkapitän und Meistertrainer Sammer nach 14 Jahren als externer Berater zurück zum BVB kommt. Die Nachricht wurde weniger als 24 Stunden vor dem Anpfiff des Topspiels in München publik, allerdings nicht als großer Coup präsentiert. Sammer hat mit den Bayern zwischen 2012 und 2016 zwar Titel um Titel gesammelt, die Affinität zum BVB aber nie verloren. „Seine fußballerischer Heimat“, sagte BVB-Boss Hans-Joachim Watzke, sei „neben Dresden vor allem bei Borussia Dortmund“.
Wie dringend frischer Wind bei den Westfalen nötig ist, hat nicht am Samstag das desolate 0:6 gezeigt. „Neu ausrichten“ müsse man sich, sagte Sportdirektor Michael Zorc. Ein neuer Trainer, ein grundsanierter Kader und ein neuer „Leiter Lizenzspielerabteilung“, der wohl Sebastian Kehl heißen wird, werden den Neuanfang mit Sammer begleiten. „Jetzt wird durchgelüftet“, sagte Watzke, Sammer solle für die dringend notwendige Frischekur „die Fenster öffnen“.
In München war die Rolle des einst als „Feuerkopf“ bekannten BVB-Spielers lange undurchsichtig und umstritten. Der Erfolg aber hat dem ehemaligen DFB-Sportdirektors stets Recht gegeben. Verpflichtet wurde er 2012 nach einer Saison als „ewiger Vize“. Zur Niederlegung seines Jobs zwang ihn die Gesundheit, der Zeitpunkt aber war auf beiden Seiten reif für eine Veränderung.
Die Aufgabe in Dortmund lässt sich für Sammer nun gut vereinen: Sein Wohnsitz bleibt in München, seinen Job bei Eurosport darf er behalten. Alle zwei Wochen soll es eine größere Sitzung geben, bei der man sich austauschen könne. Sammer stellte aber auch klar: „Ich werde keine Entscheidungen treffen. Ich bin nicht operativ tätig, nicht der entscheidende Mann.“
Trotzdem wird er versuchen, den abgedrifteten BVB wieder in die richtige Richtung zu lenken. Auch über die Trainerfrage wird mit dem „messerscharfen Analytiker“ (Watzke) bereits diskutiert. Sammer dürfte einen vollen Zettel, aber auch klare Vorstellungen haben. Durchblick im Wirrwarr behalten – das ist jetzt seine Aufgabe. Wohl mehr denn je. hanna raif