Bayerns Machtdemonstration

Katz und Maus

von Redaktion

Es ist erstaunlich, wie schwer es ist, die eine Wahrheit im Fußball zu greifen. Zu Beginn der Saison marschierte Borussia Dortmund von Sieg zu Sieg. So lange ist das noch gar nicht her, dass es hieß, der BVB habe alles, aber auch alles richtig gemacht, sei sogar zukunftsfähiger als der in die Jahre gekommene FC Bayern. Ein halbes Jahr später ist diese Meinung nicht weiter mehrheitsfähig, im Gegenteil, die Branche tendiert zur 180-Grad-Wende: Borussia Dortmund hat alles, aber auch alles falsch gemacht.

Das mit den Wahrheiten ist so eine Sache, nicht nur im Fußball. Oft ist die Mitte die Lösung, so auch im Falle des BVB. Die Westfalen müssen einen Umbruch einleiten, aber eine gewisse Grundsubstanz haben sie durchaus. Die größten Baustellen: Es fehlt an einer soliden Abwehr, und in der Offensive haben sich Spieler wie Mario Götze und Andre Schürrle nicht als die erhofften Stützen etabliert. Das Erbe von Pierre-Emerick Aubameyang ist schwer zu regeln, auch Ousmane Dembele hat eine kaum zu schließende Lücke hinterlassen.

Matthias Sammer und Sebastian Kehl sollen nun als Entscheidungsträger installiert werden. Sie haben keine leichte Aufgabe vor sich, und die Tatsache, dass Michael Zorc damit weiter an Macht verliert, obwohl sein Vertrag gerade erst verlängert wurde, spricht Bände über das komplizierte Geflecht hinter den Kulissen, das der alles beherrschende Hans-Joachim Watzke aufgebaut hat. Nicht nur in München müssen sich Alphatiere arrangieren, im Zweifel gelingt das den Kollegen an der Säbener Straße sogar etwas besser als dem Rivalen in Westfalen. Sie haben sie in dem Punkt aber auch mehr Routine.

Bayerns Machtdemonstration auf dem Platz entfaltet seine erschreckenden Ausmaße unterdessen weit über das 6:0 vom Samstag hinaus. Wenn man schon mit der eigentlichen zweiten Kraft im Land derart ungeniert „Katz und Maus“ (BVB-Kapitän Marcel Schmelzer) spielen kann, verdeutlicht das, wie enorm die Diskrepanz im deutschen Fußball zwischen München und dem Rest ist. Man hätte dieses Ergebnis nicht gebraucht, die Erkenntnis ist nicht neu – ein Warnsignal ist dieses 6:0 dennoch. Und das ist aktuell die einzige Wahrheit, die zählt.

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