Augsburg – Ob das gereichte Bier wirklich alkoholfrei war, darüber konnten weder der Blick in die Gesichter der freudentaumelnden Spieler noch die Worte von Thomas Müller eine genaue Auskunft geben. „So viel“, sagte der Nationalspieler grinsend, habe er nicht davon getrunken. Und letztlich war es ja auch egal. Denn am Gesamtbild der Mini-Meisterfeier änderte der Promille-Gehalt in den Flaschen ohnehin nichts.
Man hatte sich nach dem 4:1 in Augsburg und dem damit feststehenden 28. Meistertitel „ein paar Getränkeflaschen aufgemacht und versucht, zu tanzen“, berichtete Müller. Man hatte 15 Minuten mit den Fans gefeiert, danach in der Kabine Musik gehört – spanische und Klassiker wie Michael Jacksons „Billy Jean“ – sowie laut den Fußball-Evergreen „Campeones, campeones“ angestimmt. Und man hat im Anschluss eine lustige 80 Kilometer lange Busfahrt erlebt, auf der „über die Dezibel-Grenze“ gegangen wurde. Dann aber, nach 20 Uhr in München: Trafen sich ein paar Spieler zum ruhigen Abendessen im „Burger & Lobster“, ansonsten war Schluss. Knapp drei Stunden Party sollten mit Blick auf die anstehenden Aufgaben genug sein.
Es fiel kaum einem Beteiligten leicht, seine Emotionen unter diesen Voraussetzungen im Zaum zu halten. Auch die Klubbosse waren nach dem feststehenden sechsten Serien-Titel augenscheinlich in Feierstimmung, hatten gemeinsam mit den Spielern angestoßen und sich später zu Hause „das eine oder andere Glas Rotwein und eine Zigarre gegönnt“ (Karl-Heinz Rummenigge). Sie lebten aber vor, was vor dem Wochenende besprochen worden war. Noch in der Kabine schwor sich der gesamte Bayern-Tross darauf ein, „dass wir alle weiter fokussiert sein wollen“, sagte Sandro Wagner, der mit dem 4:1 nach Toren von Corentin Tolisso (32.), James (38.) und Arjen Robben (62.) drei Minuten vor dem Abpfiff den Meister-Schlusspunkt gesetzt hatte. „Gemeinsam“ sagte Müller, habe man festgestellt, „dass wir noch was vorhaben“. Die Grundlage sei nun gelegt – und Rummenigge posaunte auf dem Weg aus dem Stadion: „Wir wollen mitnehmen, was mitzunehmen ist.“
Der Blick ging schnell nach vorne, auf die Aufgaben, die in der Champions League am Mittwoch gegen Sevilla und sechs Tage danach im Pokal-Halbfinale in Leverkusen warten. Trotzdem sollte die Leistung von Spielern und Trainer gewürdigt werden. „Was wir erleben, ist einfach ein Traum“, sagte Rummenigge. Von 15 Titeln in acht Jahren sprach der Vereinschef: „Und das Karussell dreht sich ja noch weiter.“ Im Moment hat man – auch nach dem Spiel in Augsburg, das die B-Mannschaft nach einem schwachen Start drehte – den Eindruck, als entwickle sich ein Spirit wie im Triple-Jahr 2013. „Dieser Wille trägt uns durch die Saison“, sagte Müller: „Wir haben das Gefühl, dass noch was drin ist.“
Nicht nur ein Mal wurde an diesem Frühlings-Samstag auf den 7. Oktober verwiesen, jenen Tag, an dem Jupp Heynckes das Team mit fünf Punkten Rückstand auf Dortmund übernahm. „Sein Soll“, sagte Hasan Salihamidzic, habe der Altmeister mit dem Gewinn der Meisterschaft „schon lange erfüllt“ – alles, was kommt, ist Bonus. Der Coach selbst war bei den „Jupp, Jupp, Jupp“-Rufen in der Kurve nach Abpfiff den Tränen nah (Süle: „Auch ich hatte beim Anblick Gänsehaut“), verpasste es aber nicht, einen „Gruß nach Italien“ an Carlo Ancelotti zu senden.
Der Ex-Trainer dürfte sich eher einen guten Wein als ein alkoholfreies Bier gegönnt haben, während die Bayern laut Müller feierten „wie wenn jemand in der Kreisklasse aufsteigt – nur ein bisschen gedämpfter“. Im Mai soll es dann anders zugehen. Auf Königsklassen-Niveau.