München – Als Robert Lewandowski nach 77 Minuten Feierabend machen durfte, sah er aus wie ein Mann, der einen anstrengenden Arbeitstag hinter sich hatte. Sein Gang war schon lange nicht mehr ganz rund, ein Tritt gegen den rechten Knöchel hatte den Stürmer des FC Bayern früh erwischt. Sein Jochbein war nach einem Zweikampf dick verpflastert, und auch nach diesen zwei Erinnerungen an eine turbulente Anfangsphase des Viertelfinal-Rückspiels gegen den FC Sevilla bereitete er der medizinischen Abteilung der Münchner noch viel Arbeit. Der Pole und seine Kollegen hatten beim 0:0 gegen die Andalusier wahrlich kein leichtes Spiel.
Doch was letztlich mehr zählte als alle Beulen, Veilchen und Prellungen war der Einzug ins Halbfinale der Champions League. Anders als so mancher Favorit ließen sich die Bayern gestern nicht von ihrem Weg abbringen, auch wenn sie sich einige Mühen durch mehr Präzision im Abschluss hätten ersparen können. Auch positiv: Keiner der sechs von einer Sperre bedrohten Spieler sah eine Gelbe Karte.
Ein langer Pass auf Lewandowski, ein Verteidiger, der sich nur mit einem Tritt zu helfen weiß – solche Szenen hat man in den Anfangsminuten von Bayern-Heimspielen schon häufiger gesehen. In der Gruppenphase gegen Anderlecht mussten die Gäste ebenso einen zügigen Platzverweis verkraften wie im Achtelfinale Besiktas Istanbul. Sevillas Innenverteidiger Mercado kam gestern glimpflicher davon und sah nur Gelb, als er den Stürmer in Minute zwei zu Fall brachte. Weil James aber den fälligen Freistoß nur hauchdünn über das Tor setzte, hätte die Partie fast trotzdem einen Auftakt nach (Münchner) Maß erlebt.
Es war der passende Start in eine Partie, die zumindest bis zur Pause Torchancen beinahe im Überfluss bot, ohne dass auch nur eine genutzt worden wäre. Das war der einzige Vorwurf, den sich die Bayern zu diesem Zeitpunkt gefallen lassen mussten. Lewandowski scheiterte per Kopf (7.), Kimmich mit Linksschuss (14.), Hummels verfehlte mit einem klassischen Robben-Manöver (von rechts in die Mitte und mit links aufs lange Eck zielen) ganz knapp (34.), und bei Riberys Versuch konnte Schlussmann Soria die Fäuste gerade noch hochreißen (38.). Und das waren nur die gefährlichsten Szenen.
Über weite Strecken dieser ersten Halbzeit kamen die Andalusier gar nicht dazu, die Initiative zu ergreifen und sich ans Aufholen des Hinspiel-Rückstands zu machen. Trieben sie dann aber doch mal den Ball flott durchs Mittelfeld, wurde es gleich brenzlig. Sarabia verfehlte aus aussichtsreicher Position (12.), Linksverteidiger Escudero zielte weit daneben (27.), und bei Vazquez’ Großchance Sekunden vor der Pause warf sich Rafinha dazwischen. Auch das weiß man aus dem Hinspiel: Der Torabschluss ist nicht die größte Stärke des FC Sevilla.
Aber eine Warnung, es nicht schleifen zu lassen, waren diese Szenen für die Bayern allemal. Und sie legten nach dem Wechsel auch gleich wieder so eindrucksvoll los, dass bald Torjubel aufbrandete – allerdings nur bei jenen Fans, die Lewandowskis Kopfball ans Außennetz fehlgedeutet hatten (49.). Auch Müller, dessen Versuch Soria entschärfte (54.), war dem Treffer nahe. Doch auf der sicheren Seite waren die Bayern noch nicht. In ihre Offensive hinein klatschte ein Correa-Freistoß an die Latte.
Die Fans ließen sich trotzdem ihre Feierlaune nicht verderben, zumal die Zwischenstände aus Madrid ein Scheitern des hohen Favoriten Real in Aussicht stellten. Das Geschehen auf dem Rasen wurde in der allgemeinen Heiterkeit phasenweise zur Nebensache, erst ganz am Schluss wurde es wieder aufregend. Correa trat Martinez rüde um und sah Rot. Es war der Schlusspunkt eines erfolgreichen, aber schmerzhaften Abends für die Bayern.