München – Es ist hektisch gewesen gestern Abend beim Spiel des FC Bayern gegen den FC Sevilla, gleich von Beginn an – und zwar da vor allem rund um die medizinische Abteilung um Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt. Die Münchner schleppten sich oft als Patienten heran, machten aber weiter. So ein Champions League-Viertelfinale erfordert Biss, es war gestern ein Abend, an dem mit harten Bandagen gekämpft wurde.
Sven Ulreich: Riskierte gleich zu Beginn Kopf und Kragen, als er sich auf Kniehöhe durch seinen Fünfmeterraum warf. In einem Königsklassen-Viertelfinale gibt es keine Rücksicht, auch nicht gegen sich selbst. Man dichtet Ulreich ja längst fast neuer’sche Fähigkeiten an, doch gestern zeigte er sogar zeitweise titanische. Packte sich nach einem unfeinen Rempler zum Beispiel den Gegner. Mit dem einstigen (Ersatz)mann ist nicht zu spaßen. Eine Art Oliver Kahn in grün. Note 3 Joshua Kimmich: Fand im Hinspiel erst spät in die Partie und hatte auch gestern nicht so zündende Ideen wie gewohnt. Klärte nach einem Lattentreffer von Sevilla im eigenen Strafraum per Fallrückzieher, das war spektakulär. Allerdings hätte man sich nach vorne auch ein paar solcher Finessen gewünscht. In den Duellen mit Sevilla hatte er ein Tief. Note 4
Jerome Boateng: Im Hinspiel waren er und Mats Hummels nicht zu überwinden. Die beiden Hünen stellten die Wege zu, als wären sie King Kong auf zwei Personen verteilt. King Boateng ließ auch gestern keinen entwischen. Für das Prädikat „affenstark“ fehlte nur das Glück bei seinen Diagonalbällen. Note 3
Mats Hummels: Der Kong neben King Boateng, im Hinspiel ebenfalls fehlerlos, gestern bis auf einen Lapsus in der Schlussviertelstunde ebenfalls. Hatte dafür auch gute Szenen vor dem Tor von Sevilla. In Sachen Stellungsspiel ein Musterfall für jedes Fußball-Lehrbuch. Note 2
Rafinha: Gab wie immer den ungemütlichen Quälgeist am Spielfeldrand. Grätschte den Ball sogar mit dem Gesicht ins Seitenaus. Zog sich dabei kein Veilchen zu und benötigte keinen Pfropfen für die Nase. Ein Quälgeist mit Nehmerqualitäten. Als er sich an der Schulter verletzte, skandierte die Kurve seinen Namen. Gab es noch nie. Gestern bester Bayer. Gab es auch noch nie. Als er rausging, bekam er Stehende Ovationen. Sie erraten es: Gab es ebenfalls noch nie. Note 2
Javi Martinez: Jupp Heynckes’ Feldmarschall konnte gestern sogar nicht überwunden werden, als er mal auf dem Hosenboden hockte. Blieb dennoch die meiste Zeit aufrecht, wie es sich für einen Feldmarschall eben gehört. Ein Bock kurz vor der Pause schmälerte die Leistung nur um einen kleinen Ticken. Mit ihm im Zentrum ist es für die Gegner schwer, überhaupt bis in Bayerns Abwehr vorzudringen. Und dort warten ja noch King und Kong. Note 2
James: Wurde schon nach wenigen Minuten bei der medizinischen Abteilung an der Seitenlinie vorstellig, um sich die Nase zu putzen. Spielte fortan mit einem Pfropfen, bekam aber dennoch offensichtlich ausreichend Luft. Ist immer flott zu Fuß, und selbst Grätschen sind bei ihm wie eine Pirouette beim Salsa in seiner kolumbianischen Heimat. Note 3
Arjen Robben: Eigentlich beginnen jetzt die sogenannten Arjen-Robben-Wochen. Da Jupp Heynckes das noch aus der Vergangenheit weiß und auch in seiner vierjährigen Auszeit den Fußball verfolgt hat, hatte er den Niederländer im Hinspiel geschont. Robben verblüffte gestern zunächst mit einer Robben-Kopie: er gab ungewöhnlich oft ab. Auch im Verlauf erinnerte er noch nicht an den Robben aus der gleichen Zeit in den Vorjahren. Muss sich für die Arjen-Robben-Wochen erst noch einmal finden. Note 3
Thomas Müller: Im Hinspiel schob er Dienst auf dem rechten Flügel, gestern durfte er wieder auf den Halbräumen wuseln, das liegt ihm deutlich besser. Immer wieder ruderte er mit den Armen, damit seine Kollegen aufrückten. Er war der Kommandeur der Pressinglinien. Umtriebiger Unruheherd. Note 3
Franck Ribery: Der Franzose war vor einer Woche der Held des Hinspiels, und auch diesmal hatte er die beste Münchner Chance auf dem Fuß. Es glückte aber nicht alles, trotz emsigem Bemühen. Als er nach 70 Minuten ging, erhoben sich die Ränge. Note 3
Robert Lewandowski: Sorgte gleich zu Beginn zwei Mal für Schrecksekunden, als er sich jeweils so lange auf dem Rasen krümmte, bis die Ärzte heranstürmten. Es ist unschöne Tradition, dass sich der Starstürmer im Frühjahr verletzt, diesmal aber erlitt er nur ein Veilchen unterm linken Auge. Wurde danach weiter bei jeder Gelegenheit malträtiert, meist am Oberschenkel. Im Hinspiel war er komplett abgetaucht, gestern lag er oft am Boden, weil ihn die Spanier so hart angingen. Musste dann auch für die letzten 15 Minuten passen. Note 3
Thiago: Kam an seinem 27. Geburtstag in der 70. Minute für Ribery. Ohne Note
Sandro Wagner: Ersetzte Lewandowski in der Schlussphase. Ohne Note
Niklas Süle: Durfte in den letzten Minuten für Rafinha ran. Ohne Note