Die Spur führt zu Bruno

von Redaktion

Wer sprach wann und wo mit Niko Kovac? Die Bayern leisten ein bisschen Aufklärung

von marc beyer

München – Seine berühmten drei Worte hat sich Uli Hoeneß diesmal verkniffen. Nach den meisten Spielen des FC Bayern wirft er den Reportern im Vorbeigehen nur ein „Schönen Abend noch“ zu, er verlangsamt dabei nicht mal seinen Schritt. Am Samstag aber, kurz nach dem 5:1 über Borussia Mönchengladbach, tauchte er in der Interviewzone auf, kaum dass er ein „Sky“-Interview beendet hatte. An seiner Seite war Karl-Heinz Rummenigge. Das Duo hatte offensichtlich das Bedürfnis, einige Dinge zur Verpflichtung des neuen Trainers Niko Kovac richtig zu stellen, die in den letzten Tagen anders rübergekommen waren. Vielleicht wollten sie aber auch einfach nur die Deutungshoheit zurückgewinnen.

Die war ihnen zuvor spektakulär entglitten. Der Freitag war nicht nur der Tag der Champions League-Auslosung und der Einordnung der Personalie Kovac. Es war auch der Tag, an dem der Frankfurter Sportvorstand Fredi Bobic eine Attacke Richtung München ritt, wie man sie so unverblümt in der Bundesliga schon lange nicht mehr erlebt hat („unprofessionell und respektlos“). Die Bayern sind nicht gerne in der Defensive. Und da blieben sie auch diesmal nicht lange.

Am Samstagabend waren sie bereits wieder im Angriffsmodus. Rummenigge bewertete das Vorgehen des Klubs als „fair, seriös und in der ganzen Geschichte sauber“, Hoeneß attackierte seinerseits Bobic als „unverschämt“ und „unanständig“. So kennt man den Präsidenten, und es verwunderte auch keinen Zuhörer, als er dem Frankfurter in einem zentralen Punkt widersprach: „Das ist sogar sehr professionell.“ Schließlich habe der FC Bayern eine Ausstiegsklausel in Kovac’ Vertrag genutzt (von der es übrigens heißt, er habe sie eigens auf Empfehlung der Bayern hineinschreiben lassen).

Großzügig übersah Hoeneß dabei die Tatsache, dass sich der Frankfurter Ärger gar nicht auf den Verlust des Trainers an sich bezog. Oder darauf, dass nicht die Bayern Bobic informierten, sondern Kovac auf eigenen Wunsch hin selbst. Wirklich verstimmt reagierte die Eintracht auf den Umstand, dass die Personalie zu einem Zeitpunkt publik wurde, wo sie wegweisende Spiele in Liga und Pokal zu bestreiten hat. Kein Hesse kann ein Interesse daran haben, dass gerade jetzt zusätzliche Unruhe entsteht. Für die Bayern hingegen ist der Termin optimal. Bis zum ersten Duell mit Real Madrid in acht Tagen dürfte die Trainerfrage kein großes Thema mehr sein. Dennoch beharrt Hoeneß darauf: „Wir haben die Presse nicht informiert.“

Wer sich mit dem Rekordmeister anlegt, muss damit rechnen, dass der Konter flott und brachial erfolgt. Abgeschlossen ist die Anlegenheit damit freilich nicht. Entscheidende Sachverhalte sind noch unklar. Die „SZ“ berichtete am Samstag, vor einigen Wochen habe die Führungsspitze mit dem Trainer in einem italienischen Restaurant in Geretsried zum Essen zusammengesessen. Der Präsident bestreitet dieses Dinner auch gar nicht, erklärt es aber damit, dass man sich zufällig getroffen habe. Auf der Geburtstagsfeier seines Fahrers Bruno Kovacevic. Am Morgen vor dem Fest habe seine Frau gefragt: „Du weißt schon, wer heute Abend kommt?“ Und klar sei doch: „Vor 60 Leuten hat der FC Bayern noch selten Vertragsgespräche geführt.“ Aber ein günstiger Zufall ist es trotzdem gewesen, dass der Klub, der ganz dringend eine Schlüsselposition zu besetzen hat, im privaten Rahmen ausgerechnet jenen Mann trifft, der sich dann als geeigneter Kandidat entpuppt.

Es ist nicht die ganz große Aufklärung, die die Bayern da leisten, aber ein bisschen schlauer ist das Publikum seit Samstag schon. Schlau genug, um sich die Geschichte im Kern zusammenzureimen und ein paar Aussagen geflissentlich zu ignorieren. Man darf ja nicht alles glauben, was einem in diesem Geschäft erzählt wird. Ehrlichkeitsfanatiker haben es im Fußball schwer, so kreativ ist der Umgang mit den Fakten.

Hoeneß’ Darstellung widerspricht Kovac

Kovac’ Version wiederum – er habe erst am vergangenen Donnerstag eine Anfrage aus München erhalten und in kürzester Zeit zugesagt –, erscheint derart gewagt, dass sich die Balken gebogen hätten, wenn es im Frankfurter Pressesaal denn welche gäbe. Und das nicht nur, weil man einen dermaßen gravierenden Karriereschritt eher nicht im Affekt entscheidet. Hoeneß’ Bekenntnis, man habe „lange überlegt, wann sollen wir es den Frankfurtern sagen“, klingt vollkommen anders. Wie lang „lange“ bedeutet, mag Auslegungssache sein. Aber mit ein paar Stunden am vergangenen Donnerstag ist es garantiert nicht getan.

Der entscheidenden Frage – wann die Bayern zum ersten Mal auf Kovac zugegangen sind – sind die Bosse am Samstag so vehement aus dem Weg gegangen, dass man als Zuhörer zwangsläufig stutzig werden musste. Als der „Sky“-Reporter Hoeneß konkret darauf ansprach, antwortete der Präsident auffallend schroff: „Wir sind hier nicht bei der Staatsanwaltschaft.“

Auch Hasan Salihamidzic hat in diesem Punkt wortreich die Aussage verweigert („Fakt ist, dass Niko Kovac ab 1. Juli neuer Bayern-Trainer sein wird, über alle anderen Details möchte ich natürlich nicht reden“). Schon heute dürfte der Sportdirektor auf einer DFL-Tagung Fredi Bobic treffen.

Es gibt viel zu bereden. Vielleicht auch über die These des Präsidenten, es sei „großzügig“ gewesen, den Frankfurtern ihren Trainer nicht erst im Mai wegzuschnappen, sondern schon Mitte April. So habe die Eintracht vier Wochen mehr Zeit, um einen Nachfolger zu suchen. Eines ist immerhin klar: Die Deutungshoheit lassen sich die Bayern so schnell nicht nehmen.

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