Shanghai – Die Standpauke für Crash-Pilot Max Verstappen beendete Sebastian Vettel mit einer großzügigen Geste der Versöhnung. Der Ferrari-Star klopfte „Mad Max“ nach klaren Worten im Vieraugen-Gespräch letztlich aufmunternd auf die Schulter. Seine von Verstappen mitverschuldete Schlappe beim Großen Preis von China und den ersten Rückschlag im WM-Duell mit Weltmeister Lewis Hamilton konnte Vettel offenbar ganz verschmerzen.
„Er hat sich entschuldigt“, sagte der Deutsche, für den das Formel-1-Rennen in Shanghai auch wegen des Unfalls mit dem ungestümen Verstappen zum Debakel geworden war. Von der Pole Position startend reichte es beim Sieg des Australiers Daniel Ricciardo (Red Bull) nur zu Platz acht. Im Titelrennen mit Hamilton (Mercedes) gab Vettel nach den Siegen in Australien und Bahrain wichtige Punkte und einen sicher geglaubten Vorteil aus der Hand. Dennoch verlässt er auch China als WM-Führender, denn Hamilton selbst kam nicht über den ebenfalls enttäuschenden vierten Rang hinaus. Vettel hat mit nun 54 Punkten noch neun Zähler Vorsprung auf den Briten.
Die Fehler lagen am Sonntag nicht beim Heppenheimer. Zu einem Zeitpunkt, als Vettel die Führung in Shanghai längst verloren hatte, knallte Verstappen völlig übermotiviert in den Ferrari des viermaligen Weltmeisters. Beide Boliden drehten sich.
„Er war zu spät auf der Bremse“, sagte Vettel, der wenig Verständnis für das heikle Manöver des im Finale schnelleren Red-Bull-Piloten aufbrachte: „Ich hätte ihn später ohnehin vorbeilassen müssen. So hat er beide Rennen zerstört. Er hätte locker auf das Podium fahren können. Ich habe Glück gehabt, dass ich noch weiterfahren konnte.“
Immer wieder Verstappen. Nicht zum ersten Mal sorgte der Niederländer mit seiner aggressiven Fahrweise für brenzlige Situationen. In Bahrain hatte er sich bei einem gescheiterten Überholmanöver den Hinterreifen bei Hamilton aufgeschlitzt, in Shanghai war Vettel der Leidtragende.
Der 20-jährige Verstappen suchte das Gespräch mit Vettel und zeigte sich ungewohnt einsichtig. „Das war scheiße“, sagte er anschließend. „Es war meine Schuld.“ Verstappen kassierte eine Zehn-Sekunden-Strafe und rutschte dadurch noch auf Platz fünf hinter Hamilton ab.
Die einzige Ursache für Vettels Niederlage war Verstappens Rammstoß allerdings nicht. Ferrari hatte sich deutlich früher einen groben taktischen Fehler geleistet: Mercedes schickte den am Ende zweitplatzierten Valtteri Bottas vor Vettel zum Reifenwechsel und traf damit die richtige Entscheidung. Auf frischen Pneus war der Finne nun deutlich schneller unterwegs.
Ferrari ließ Vettel trotz dieser Gefahr noch zu viele langsamere Runden auf alten Reifen drehen und bremste den Heppenheimer damit aus. Als Vettel nach seinem Stopp am Ende der Boxengasse wieder auf die Strecke einbog, zog Bottas vorbei. Der Vorteil der Pole war damit leichtfertig aus der Hand gegeben – und das ärgerte Vettel noch mehr als der spätere Crash. „Wir hatten das Rennen im Griff“, sagte Vettel, „wir waren uns sicher, dass es mit dem Abstand reicht. Da haben wir uns ein bisschen vertan.“
Frust bei Mercedes
Großer Frust herrschte auch bei den Silberpfeilen. Zwar stand Bottas wieder auf dem Podium, das Ergebnis war dennoch unbefriedigend. „Es lief das ganze Wochenende nicht gut. Das war nicht das Level, das wir uns erhofft haben“, sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. Insbesondere Weltmeister Hamilton, mit sechs Erfolgen Rekordsieger in China, zeigte ein schwaches Rennen – und zog als Vierter nur wenig Profit aus Vettels Debakel.
Ricciardo feierte seinen ersten GP-Sieg seit Baku im vergangenen Jahr obligatorisch mit einem „Shoey“, indem er Champagner aus seinem Schuh schlürfte. Vor einer Woche hatte er in Bahrain wegen einer defekten Batterie das Rennen schon nach zwei Runden beenden müssen. Am Samstag brannte in Shanghai im letzten Training der Motor seines Wagens. Die Mechaniker schafften es gerade noch, den Boliden bis zur Qualifikation zu reparieren.
„Von dort, wo wir gestern waren, hätten man nicht geglaubt, dass wir heute hier sein würden“, sagte Ricciardo. „Für mich ist das eine riesige Belohnung, aber die Mechaniker und Ingenieure haben sich diesen Sieg wirklich verdient.“