München – Aus der Kabine trat Rainer Kmeth, der neue Pressesprecher des TSV 1860 – und er sorgte für fragende Gesichter. „Sascha Mölders gibt heute keine Interviews – nicht fürs Fernsehen und nicht für die Presse“, sagte der hauptberufliche Sparkassen-Filialleiter aus Penzberg. Mit einer Erklärung für die Verweigerungshaltung des dreifachen Torschützen konnte Kmeth nicht dienen, was ein sofortiges Gemurmel im Medienpulk zur Folge hatte: Ist Mölders, 33, verstimmt, weil die Vertragsverhandlungen ins Stocken geraten sind? Liegt es daran, dass die Bosse ihm ausreden wollen, künftig wieder nebenbei einen Klub zu trainieren? War das womöglich einer seiner letzten Auftritte im 1860-Trikot?
Markus Ziereis, finaler Torschütze bei der 5:0 (3:0)-Gala gegen Eichstätt, sah sich bemüßigt, eine Lanze für seinen Sturmpartner zu brechen. „Nein, ich glaube auf gar keinen Fall, dass er schlechte Laune hat“, sagte Ziereis, der sich offenbar Sorgen machte, die positive Stimmung rund um den designierten Regionalliga-Meister könnte Schaden nehmen: „Der Sascha hat jetzt eben das Alter, wo er auch mal ein Interview verweigern kann. Ist doch nichts Schlimmes dabei.“
Schlimm nicht. Nur ein bisschen rätselhaft, zumal der Mitteilungsdrang des gefeierten Stürmers zuvor noch so groß war. Der Hattrick-Held hatte sich nicht lange bitten lassen, als die Fans nach Spielende seinen Namen riefen – und Mölders zeigen konnte, dass auch in ihm ein kleiner Ultra steckt. Ruckzuck kletterte er auf den Zaun vor der Westkurve, ließ sich ein Mikro reichen – und brüllte heraus, was ihm in den Sinn kam. Das übliche „Humba-Tätärä“ war ebenso dabei wie die eigenwillige Forderung nach finaler Interpunktion („Gebt mir ein Ausrufezeichen!“). Und als Höhepunkt aus Sicht des johlenden Anhangs: „Sch . . . FC Bayern!“
Wer einen Lauf hat wie Mölders, der verwandelt eben auch eine politisch nicht ganz korrekte Steilvorlage aus der tiefblauen Fanseele. „Sascha ist unbezahlbar für uns“, spendete Trainer Daniel Bierofka dem Kultstürmer ein Sonderlob: „Er war schon die ganze Runde immens wichtig für uns. Momentan ist er auch in einer sehr guten körperlichen Verfassung – und zu was er dann imstande ist, hat man heute gesehen.“
Wie beim 3:1 in Schweinfurt eine Woche zuvor drückte Mölders auch dem Duell mit dem starken Aufsteiger seinen Stempel auf. Nie zuvor seit Gründung der fünfgeteilten Regionalliga (2012) war es einem Stürmer gelungen, in zwei aufeinander folgenden Spielen jeweils drei Treffer zu erzielen. Und ob Zufall oder nicht: Der Mölders-Lauf setzte just in dem Augenblick ein, als alle bei 1860 anfingen, den zwischenzeitlichen Alleinunterhalter Ziereis hochzujubeln. Das blaue Double von „Thomas Müller“ (Bierofka) hatte beim Heimspiel-Viererpack im März fünf Treffer erzielt. Nun ist Ziereis uneitel genug, sich wieder im Schatten von Promipartner Mölders zurechtzufinden. „Es ist immer gut, wenn beide Stürmer treffen“, sagte er: „Sascha hat lange genug gewartet, bis es wieder geklappt hat. Er hat sich das absolut erarbeitet – da freuen wir uns alle drüber. Wir ergänzen uns super. Für die Mannschaft ist das einfach nur positiv.“
Mölders steht jetzt bei 17 Toren (eins hinter Eichstätts Eberle), Ziereis bei 13. Vorne trifft bei 1860 immer einer, hinten brennt selten was an. Und wenn doch mal Gefahr in Verzug ist, dann ist Marco Hiller zur Stelle. Oder es streift Sechser Aaron Berzel die Handschuhe über, weil Hiller zu ungestüm aus dem Tor kam, Rot sah, 1860 aber schon dreimal gewechselt hatte (78.). „Unglücklich“, urteilte Bierofka. Aber: Morgen in Ingolstadt gelte dann eben „Henne“ das Vertrauen, dem im Totopokal bewährten Hendrik Bonmann. Ziereis: „Das Gute ist ja, dass wir auf jeder Position richtig gute Leute hinten dran haben.“
Sogar auf der Trainerposition. „Man hat gesehen: Ich muss mir keine Sorge machen, wenn ich mal weg bin“, sagte Daniel Bierofka an die Adresse von Oliver Beer, der das Team während seiner Hennef-Woche betreut hatte. Nächste Saison könnten sich Bierofkas Absenzen häufen; er selbst scheint jedenfalls mit einer Zulassung für den Fußballlehrer-Kurs zu rechnen: „Ich denke, ich hab mich nicht so blöd angestellt.“
Von B wie Beer bis Z wie Ziereis: Es ist eine Stärke der Löwen 2018, dass alle eine Einheit bilden. Selbst an einem Tag, an dem „Zaunkönig“ Mölders alle überstrahlt.
Nur das Ausrufezeichen, das sich alle Fans wünschen, blieb der schillernde „Hattricker“ schuldig – das hinter seiner Zukunft bei 1860.