Gegen die Stürmer und gegen die Zweifel

von Redaktion

Über keinen deutschen Eishockeyspieler wird so kontrovers diskutiert wie den Münchner Torwart Danny Aus den Birken

Von Günter Klein

München – Wieder zwei Spiele, an deren Ende man nicht wusste: Wie ist die Leistung von Danny Aus den Birken zu bewerten?

Es gab wieder die großartigen Szenen des Münchner Torhüters: Wie er Berliner Alleingänge stoppte und dabei unerschütterlich wirkte, wie er mit den Beinschienen unten im Eck war, bevor der Puck über die Linie hätte gehen können. Doch zu sehen waren auch andere Momente: Schüsse, die er abprallen ließ, oder die über seinem Fanghandschuh einschlugen.

Die Fans sangen wiederholt seinen Namen, der sich so schön rhythmisch singen lässt: „Danny Aus den Birken, schalalalalalalala.“ In den sozialen Medien jedoch finden sich auch weniger huldigende Kommentare – wie: „Tyischer AdB.“ Das wird auch eine Frage sein vor dem heutigen (19.30 Uhr) dritten Spiel der 1:1 stehenden Best-of-Seven-Finalserie um die Deutsche Eishockey-Meisterschaft zwischen EHC München und Eisbären Berlin: Wie fängt Aus den Birken?

Es begleitet die Karriere des 33-jährigen gebürtigen Düsseldorfers, dass um ihn kontrovers diskutiert wird. Sein Talent brachte ihn früh in die Nachwuchsschmiede der Adler Mannheim, doch in die DEL schaffte er es bei ihnen nicht so richtig, überwiegend spielte er für Heilbronn, eine Fahrstuhlmannschaft zwischen 2. und Oberliga. Erst mit 24 und dem Wechsel zu den Iserlohn Roosters wurde aus Aus den Birken ein DEL-Stammtorwart. Nach eineinhalb Jahren zog er weiter zu den Kölner Haien, mit ihnen stand er zweimal (2013, 14) unter dem heutigen Berliner Trainer Uwe Krupp in den DEL-Finalserien, gehörte auch immer wieder zum Kreis der Nationalmannschaft – doch die deutsche Nummer eins war er nicht. Es standen immer andere vor ihm: erst Dimitri Kotschnew, dann Dennis Endras, Timo Pielmeier. 2015 holte ihn der EHC München – verpflichtete aber kurz darauf den Amerikaner David Leggio hinterher. Als würde er Danny Aus den Birken nicht zutrauen, eine Saison als klar definierte Nummer eins zu stemmen. Beim Titelgewinn 2016 war er nur Ersatz, 2017 setzte er sich gegen den Kollegen Leggio durch und schaffte es in den Kader für die Heim-WM. Dort durfte er ran, als Thomas Greiss, der eine deutsche NHL-Torwart, sich verletzte – und musste weichen, als Philipp Grubauer, der andere deutsche NHL-Torwart, kam.

Doch dann: Olympia 2018. Die NHL-Leute nicht verfügbar. Marco Sturm, der Bundestrainer, hält nichts davon, Torhüter im Turnier rotieren zu lassen – was bei seinen Vorgängern Usus war. Sturm entschied sich für eine klar definierte Nr. 1: Aus den Birken. Obwohl dessen Auftakt nicht brillant war: 2:5-Niederlage gegen Finnland, keine Torhüterpartie. Gegen Schweden durfte der Ingolstädter Pielmeier ran, und nach dem 0:1 hätten wohl alle erwartet, dass er auf diesem Platz bleiben würde. Indes: Fortan spielte nur noch Danny Aus den Birken, wurde zu einem Held der Deutschen, zum Star der Silber-Truppe. Man wählte ihn als besten Torwart ins All-Star-Team. Wenn diese Olympia-Wunder-Geschichte mal verfilmt würde, sagte Aus den Birken, „wünsche ich mir, dass mich Brad Pitt spielt“.

So locker und lustig erlebt man ihn nur selten. Die Leute beim EHC München nennen ihn einen „nicht einfachen Charakter“, eher verschlossen, mit bayerischer Lebensart fremdelnd. Manchmal ist er ausgesprochen raunzig – wie bei der WM in Köln, als er einen Journalisten aus Dresden, dem er zuvor noch nie begegnet war, anherrschte: „Ich weiß ja, dass Sie vom Hockey keine Ahnung haben.“ Die Frage des Reporters war harmlos gewesen, hatte sogar Bewunderung ausgedrückt: Wie Aus den Birken es geschafft habe, sich nach einem frühen und schuldhaft kassierten Gegentreffer zu fangen und zu einer starken Leistung zu finden?

Aus den Birken war nie über alle Zweifel erhaben – und ist es auch jetzt nicht. Er kam schwer ins Viertelfinale gegen Bremerhaven (seine ersten Spiele nach Olympia), in der Halbfinalserie gegen Mannheim schien zunächst Dennis Endras von den Adlern der bessere Mann zu sein. Jedoch: Endras erlebte einen Leistungsabfall und wird nicht für die WM nominiert (Sturm: „Momentan sind andere vorne“), Aus den Birken hat sich in der Playoff-Statistik inzwischen Platz 1 zurückgeholt – Gegentorschnitt 2,33.

Wobei Zahlen halt oft eine Geschichte erzählen, die fragwürdig klingt. Statistisch nämlich wäre Olympia für Danny Aus den Birken kein Erfolg gewesen: Nach gehaltenen Schüssen war er nur 13. der Torhüterwertung. Was also ist die Wahrheit?

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