Mainz – Christian Streich saß zu später Stunde völlig konsterniert auf seinem Stuhl im Mainzer Presseraum. „Ich versuche einfach, das alles hinzunehmen“, sagte der Trainer des Bundesligisten SC Freiburg und schüttelte kaum merklich mit dem Kopf. Der kuriose, aber korrekte „Halbzeit-Videobeweis“ am Montagabend während der 0:2 (0:1)-Niederlage beim FSV Mainz 05 hatte dem 52-Jährigen sichtlich den Rest gegeben.
„Sollen sie machen, was sie machen wollen. Deshalb heißt es Schiedsrichter“, sagte Streich, der mit dem SC hinter Mainz auf den Relegationsplatz abrutschte und von Glück sagen kann, dass Hamburg und Köln noch deutlich schlechter dastehen: „Die entscheiden das, und wir haben das zu akzeptieren.“
Der Unparteiische Guido Winkmann (Kerken) hatte nach seinem vermeintlichen Pausenpfiff doch noch auf Handelfmeter für die Gastgeber entschieden – die SC-Profis waren da schon auf dem Weg in die Kabine und mussten auf den Rasen zurückgeholt werden. Pablo De Blasis, der auch den zweiten Treffer erzielte (78.), behielt vom Punkt die Nerven (45.+7). Die Fangruppen beider Klubs pfiffen nach Kräften.
„Als betroffener Verein wäre ich auch nicht begeistert“, sagte Winkmann: „Aber das ist eben auch der Videoschiedsrichter in der heutigen Zeit, der hier wieder zur Gerechtigkeit geführt hat.“ In der fraglichen Szene, nur Sekunden vor seinem Pausenpfiff, habe er „keine Chance“ gehabt, das Handspiel von Marc-Oliver Kempf zu erkennen. Doch Video-Assistentin Bibiana Steinhaus im Kölner Kontrollzentrum gab den richtigen Hinweis.
„Das sind Szenen, die am Ende keiner will“, sagte Schiedsrichter-Chef Lutz Michael Fröhlich: „Das ist nicht schön und keine Werbung für den Ablauf.“ Dennoch sei die Entscheidung „nicht anders möglich“ gewesen. Die Spekulationen, dass Steinhaus Winkmann (regelwidrig) erst angefunkt habe, nachdem dieser das Spielfeld verlassen hatte, konnten durch die Auswertung der Video- und Tonaufnahmen widerlegt werden, teilte Fröhlich gestern mit.
Die Spieler des Sport-Clubs hatten ihrem Ärger trotzdem lautstark Luft gemacht. „Das kann man am letzten Spieltag machen, den Videobeweis noch einmal ausprobieren, wenn es um die goldene Ananas geht“, schimpfte Abwehrspieler Manuel Gulde: „Aber doch nicht in so einem Spiel!“ Kapitän Julian Schuster hinterfragte sogar generell den Videobeweis. „Man muss sich überlegen, ob der Schiedsrichter nicht doch einfach wieder mehr Fehler machen darf“, sagte der 33-Jährige:
Die 26 407 Fans im Stadion waren ohnehin schon in Rage. Über die komplette Spieldauer protestierten die Zuschauer mit Pfiffen und Vuvuzelas gegen die Ansetzung zum Wochenstart, Sekunden vor Beginn der zweiten Halbzeit fluteten die FSV-Anhänger den SC-Strafraum zweimal mit Dutzenden Rollen Klopapier.´
„Die Situation war natürlich gut für uns und irgendwo der Türöffner“, sagte der frühere Nationaltorwart Rene Adler: „Als Sportsmann fühlt man mit dem Gegner ein bisschen mit. Das ist ganz klar eine blöde Situation. Aber wir haben dieses Jahr eben den Videoschiedsrichter. Dann muss es auch überprüft werden.“ sid