Ganz anders, und doch ähnlich

von Redaktion

Gleich zwei Mal treffen die Boateng-Brüder in den kommenden Wochen aufeinander – beide als Anführer ihres Teams

München – Vergangene Woche in der Allianz Arena, da zog Jerome Boateng die Blicke auf sich, obwohl er nicht mal auf dem Rasen stand. Ticketbesitzer auf der Haupttribüne sind in München ja gerne mal extravagant gekleidet, aber Boateng, der schoss beim 5:1 gegen Gladbach den Vogel ab. Die Marken seiner Kleidung („ROC NATION“, „Supreme x Nike x NBA“, „Rolex“) sind etwas für Mode-Experten, allen anderen reichte der Wert der Klamotte, um den Auftritt zu bewerten: 40 000 Euro trug Boateng allein am Oberkörper. Kann man mal machen.

Das Interessante an dieser Anekdote ist, dass Jerome Boateng ja eigentlich anders ist als andere Fußball-Profis. Wenn der Nationalspieler als Protz daherkommt, sieht man hinter den dicken Sonnenbrillen-Gläsern trotzdem einen reflektierten Mann, der um seine Stellung weiß. Gegenbeispiele gibt es genug, ein prominentes war lange Zeit sein eigener Halbbruder Kevin-Prince. Extravagant sein, um jeden Preis im Mittelpunkt stehen – das war in der Familie eher dem älteren der beiden vorbehalten. Aber auch das hat sich angeblich ja geändert.

Wenn das Duo am 19. Mai im Pokalfinale von Berlin aufeinandertrifft, begegnen sich zwei gereifte Männer. Sie haben ihre Flausen im Kopf, das werden sie immer haben, Kevin-Prince sagte nach dem Halbfinal-Sieg am Mittwoch etwa: „Wer heute vor vier Uhr nach Hause kommt, kriegt eine Strafe.“ Aber sie haben beide Lehren gezogen aus ihren Werdegängen – obwohl diese unterschiedlicher kaum hätten sein können. Viel mehr als den Start an der Panke im Berliner Wedding und dem Weg durch diverse Hertha-Teams haben die Karrieren nicht gemeinsam. Jerome, eineinhalb Jahre jünger, hat mit dem FC Bayern gerade seinen 15. Titel gefeiert – in einer Zeitspanne, in der Kevin-Prince allein an fünf verschiedenen Stationen kickte.

Richtig angekommen ist er erst vor einem dreiviertel Jahr. Die Entwicklung, die die Eintracht genommen hat, trägt auch seine Handschrift. In Niko Kovac hat Kevin-Prince das gefunden, was Jerome in München unter Heynckes hat. Vertrauen, Wertschätzung und Verantwortung haben ihn zurück in die Form gebracht, in der er ein Team wirklich führen kann. Mal als Achter, mal als hängende Spitze. „Kevin kann überall spielen“, sagt der designierte Bayern-Trainer über seinen Star.

Dass seine Auswechslung am Mittwoch von Schalker Pfiffen begleitet wurde, wird ihm nichts ausmachen. Vielleicht macht die Ablehnung der Anhänger seines Ex-Klubs ihn sogar noch stärker. Zumal er angeschlagen in den Saison-Endspurt geht, in dem in Liga und Pokal-Finale gleich zwei Brüder-Duelle anstehen. Kevin-Prince will auf dem Platz sein, nicht auf der Tribüne. Trikot, kurze Hose, Stutzen – wer braucht schon ein schillerndes Outfit?  hlr

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