kovac im finale gegen bayern

Nobelpreis zum Abschied

von Redaktion

von hanna raif

München – Es ist noch nicht allzu lange her, ein, zwei Wochen vielleicht, da erzählte Jupp Heynckes davon, dass er sein Amt in München vor über 30 Jahren ja ohne echten Arbeitsnachweis angetreten habe. 1987 war die Welt noch eine andere als 2018, aber auch damals schon galten Titel als einzige Währung, die in der Fußballbranche zählt. Heynckes gewann in Mönchengladbach exakt null davon, obwohl er die Mannschaft zu einem nationalen Spitzenteam geformt hat. Das beste Argument, das er unter diesen Gesichtspunkten für den Wechsel nach München vorweisen konnte, war noch das Pokalfinale der Saison 1983/84. 7:8 verlor Gladbach im Elfmeterschießen gegen die Bayern. Aber knapp daneben ist ja bekanntlich auch vorbei.

Wenn Jupp Heynckes solche Anekdoten ausplaudert, dann macht er das nicht ohne Hintergedanken. Er kennt die Situation, als neuer, vergleichsweise unerfahrener Trainer aus einem beschaulichen Umfeld in die großkopferte Münchner Szene geworfen zu werden. „Fehler“, sagt der 72-Jährige heute, habe er „natürlich auch gemacht“, manchmal blickt er mit einem Schmunzeln zurück auf den besessenen, strengen und teils verbohrten Mann, der er damals war. Im Kern der Geschichte aber geht es nicht um ihn, sondern um den nächsten „Neuen“, der an der Seitenlinie des FC Bayern stehen wird. Was der Vorgänger also sagen will: Lasst den Jungen mal machen, er wird seinen Weg gehen. Das habe ich doch auch getan.

Ob Niko Kovac wie einst Heynckes ausschließlich mit einer Menge guter Ideen oder aber doch mit einer Trophäe nach München kommen wird, entscheidet sich am 19. Mai in Berlin. Dass sich der FC Bayern und Eintracht Frankfurt an jenem Tag im Pokalfinale gegenüberstehen, ist eine gelungene Pointe in der Komödie, die die Vereine bzw. deren Verantwortliche in der letzten Woche um die Verpflichtung des 46-Jährigen als Heynckes’ Nachfolger gespielt haben. Noch am Dienstag, nach dem 6:2 in Leverkusen, hatten die Münchner Verantwortlichen die obligatorische Frage nach dem Wunschgegner für ihr 22. Endspiel mit einem vielsagenden „schau mer mal“ abgetan. Tags darauf wurden sie dann vor dem Fernseher Zeugen einer Partie, die zwischen Frankfurt und Schalke lange langweilig war – dann aber einen verdienten Sieger hatte.

Eine Meisterleistung bot Kovacs Eintracht beim 1:0 auf Schalke nicht, steht aber trotzdem nicht per Zufall zum zweiten Mal hintereinander im Endspiel. „Nobelpreiswürdig“ nannte Kovac selbst das Finaleinzug-Double seines Teams. Anders als beim 1:2 gegen Dortmund im vergangenen Jahr hofft er heuer auf das Happy End. „Jetzt muss er die Kollegen weghauen“, sagte Sportvorstand Fredi Bobic, Frankfurts Sportdirektor Bruno Hübner kommentierte ähnlich fordernd: „Da kann er denen ja gleich mal zeigen, was er drauf hat.“

Kovac genoss den Erfolg im Hintergrund, ging nach Abpfiff nicht in die Kurve, sondern ließ seine Spieler feiern. Hinterher aber platzierte er eine Botschaft, die auch in München ankam. Viel sei los gewesen „in den letzten Tagen“, sagte er: „Was uns der eine oder andere reinsingen wollte, hat aber nicht funktioniert. Wir sind die Eintracht – das hat man heute gesehen.“ Fünf Spiele bleiben ihm nun noch an seiner ersten Station im deutschen Klub-Fußball, zweimal davon trifft er auf die Bayern. Die Bundesliga-Partie kommende Woche in München ist ein Vorspiel für das, was drei Wochen danach in der Hauptstadt ansteht.

Den Wirbel der letzten Tage um die feindliche Übernahme des Trainers versuchte Karl-Heinz Rummenigge gestern Abend zu entkräften. Er habe der Eintracht die Daumen gedrückt, sagte der Bayern-Vorstandschef, und über den Disput mit Frankfurts Sportchef Bobic meinte er, das sei nun ad acta gelegt. Kovac will sich sowieso auf den Platz konzentrieren – auch wenn die Vergangenheit lehrt, wie belastend Finals gegen den neuen Klub sein können. Mats Hummels verlor 2016 mit Dortmund ebenso wie Robert Lewandowski 2014, das prominenteste Beispiel aber bleibt Lothar Matthäus. Er verschoss 1984 im Gladbacher Trikot einen Elfmeter gegen seinen neuen Arbeitgeber.

Ein Grund, warum Heynckes später seinen Dienst titellos antreten musste.

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