Becker erwartet das Maximum von Zverev

von Redaktion

Der frühere Weltranglistenerste glaubt, dass auch sein junger Landsmann den Weg nach ganz oben schaffen wird

von marc beyer

München – Mit 21 hat Boris Becker fast schon ein halbes Profileben hinter sich gehabt. „In dem Alter habe ich meine erste Krise erlebt“, und er muss gar nicht darauf hinweisen, dass der ersten noch ein paar weitere folgten. Knapp drei Jahrzehnte später ticken die Tennisprofis irgendwie anders, hat Becker festgestellt. „Junge Wilde“ nennt man sie jetzt, „und das sind sie auch mit 21 noch“. Von Krise keine Spur.

Am Freitag hat Alexander Zverev seinen 21. Geburtstag gefeiert. Einen Tag zuvor traf ihn Boris Becker in Monte Carlo, wo die Ruhmeshalle des Tennissports ihn mit einem Ring für sein Lebenswerk ehrte. Der Termin lag günstig, denn als Head of Men’s Tennis ist er so etwas wie Zverevs oberster Vorgesetzter im DTB. Er hat seinen Schützling oft vor überzogenen Erwartungen in Schutz genommen und davor gewarnt, ihn „mit einem anderen deutschen Tennisspieler“ zu vergleichen, womit er natürlich sich selbst meinte. Mit dem 21-jährigen Zverev scheint er nun forscher umgehen zu wollen. Der wäre zweifellos „der beste 21-Jährige der Welt“, findet Becker, für den es „nur eine Frage der Zeit“ ist, „wann sein Weg ganz nach oben führt“.

In seinem Job muss man halt auch mal mit plakativen Aussagen auf sich aufmerksam machen. Am Freitag trat Becker auf der Anlage des MTTC Iphitos auf. München sei seine „deutsche Heimat“, doch weil ein Becker ständig unterwegs ist, hat er hier nicht mal mehr eine Wohnung. Genau genommen war er auch nicht aus Heimatliebe gekommen, sondern im Auftrag des Senders Eurosport. Für den gibt er seit Anfang 2017 den Co-Kommentator und das so erfolgreich, dass Becker, der gemeinsam mit Matthias Stach den Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie „Beste Sportsendung“ gewann, seinen Vertrag bis 2020 verlängert hat.

Dass man sich auf seine Expertise verlassen kann, haben Fernsehzuschauer ebenso festgestellt wie Spitzenspieler. Becker (50) mag manchmal etwas onkelhaft rüberkommen, doch in seinem Sport macht ihm niemand etwas vor. Als Trainer hat er Novak Djokovic in höchste Höhen geführt. Diese Woche wurde nun bekannt, dass der Serbe, der seit der Trennung von Becker böse ins Taumeln geraten ist, wieder mit seinem alten Hauptcoach Marian Vajda zusammenarbeitet. Es hätte nicht überrascht, wenn Djokovic im Zuge der Rückbesinnung auch den dreimaligen Wimbledonsieger wieder ins Team geholt hätte, doch daran verschwendet der Altmeister keinen Gedanken. Er hat jetzt andere Prioritäten: „Alles hat seine Zeit. Ich lebe im Hier und Jetzt und kann mir nicht vorstellen, noch mal Full-Time-Trainer zu sein.“

Das schließt – Stand jetzt – auch Alexander Zverev ein. Als Ratgeber steht Becker dem jungen Hamburger ohnehin zur Seite, und womöglich hat der für die tägliche Arbeit auch bald jemand anders gefunden. Zverev, der sich im Februar nach einem halben Jahr vom früheren Weltranglistenersten Juan Carlos Ferrero getrennt hatte, steht neuerdings in Verbindung zu Ivan Lendl.

Beckers alter Rivale hat als Trainer Andy Murray zu Wimbledonsieg, Olympiagold und Weltranglistenplatz eins geführt. „Bestimmt würde Sascha von ihm profitieren“, weiß er, schränkt aber ein, so eine Partnerschaft sei immer „eine Frage des Timings, vielleicht auch des Budgets“. Nicht zu vergessen der Hierarchie. „Der wichtigste Trainer wird immer der Vater sein“, weiß Becker. Daran dürfte sich bei den Zverevs auch dann nichts geändert haben, wenn der Junior seinen 21. Geburtstag und vielleicht auch die erste Krise schon lange hinter sich hat.

Artikel 8 von 11