München – Es ist nicht so, dass am Mittwoch überhaupt kein Lewandowski-Zitat in Umlauf war. Es gab sehr wohl eines, aber das stammte nicht vom Stürmer des FC Bayern. Sondern von seiner Frau, die in den sozialen Medien um Unterstützung vor einem wichtigen Spiel bat („Drückt diesem Kämpfer die Daumen“). Der Mann, um den es ging, blieb den ganzen Mittwoch über jeden Kommentar schuldig. Als Robert Lewandowski nach der Partie an den Reportern vorbeiging, ignorierte er alle Rufe.
Als feuriger Rhetoriker war der Mittelstürmer noch nie bekannt, doch an diesem Abend wäre eine Einschätzung interessant gewesen. Kein anderer Bayern-Spieler, außer vielleicht Ex-Real-Profi James, stand vor dem Spiel derart im Fokus wie der Pole, dessen Privatduell mit Cristiano Ronaldo die Schlüsselpersonalie zu sein schien.
In einem Satz mit dem Weltfußballer genannt zu werden, schmeichelt Lewandowski sehr. Bei Instagram nennt er sich RL9, das erinnert frappierend an Ronaldos CR7. Eine Weltmarke würde auch der Bayern-Stürmer gerne werden, vor Jahren hat er sich eine persönliche Jubelgeste zugelegt, doch mit fotogenen Auftritten allein ist es nicht getan. Wirksamer wäre es, Tore zu erzielen, wenn die ganze Welt hinschaut. So wie Ronaldo.
Obwohl der diesmal leer ausging, ist seine Abschlussquote in Spitzenspielen imposant. Lewandowski kann auf diesem Niveau die vier Tore gegen Real vorweisen, die er beim sagenhaften 4:1 von Borussia Dortmund im Halbfinale 2013 erzielte. Doch wenngleich er seit dem Wechsel zu den Bayern im Akkord trifft, hat der Angreifer in den ganz großen Momenten selten die messerscharfe Präsenz eines Ronaldo erreicht. Er sehe Lewandowski „in diesen Spielen einfach zu wenig“, lästerte Oliver Kahn am ZDF-Mikrofon. Dabei hatten die Münchner eigens ihre Personalpolitik überarbeitet und für 13 Millionen Euro Sandro Wagner verpflichtet, um in der entscheidenden Saisonphase einen ausgeruhten Top-Stürmer zu haben.
An einem Abend, an dem die mangelnde Präzision im Abschluss das große Thema bildete, stand Lewandowski stellvertretend für die Misere. Einmal, kurz vor der Pause, geriet ein Kopfball zu unplatziert, in der Schlussphase misslang ihm dann ein Lupfer aus aussichtsreicher Position. Während Trainer Jupp Heynckes dem Teamsenior Franck Ribery (35) „ein überragendes Spiel“ attestierte, Thomas Müller sich bienenfleißig an der Real-Defensive abarbeitete und James als schlauer Einfädler gefiel, fehlte Lewandowskis Aktionen irritierend oft die Zuspitzung.
Verpasst hat er damit auch die Gelegenheit nachzuweisen, dass die ewigen Gerüchte um ihn und Real (an denen sein Berater nicht unschuldig ist) eine Berechtigung haben. Unter dem Eindruck der 90 Minuten wirkt das Szenario, dass sich die Bayern im Sommer einen Mittelstürmer suchen müssen, wenig realistisch. Ohnehin befindet Lewandowski sich mit seinen bald 30 Jahren nicht mehr zwingend in der Zielgruppe der Königlichen.
Die Meinung, die Real-Vertreter am Mittwoch über ihn kundtaten, klang ebenfalls nicht so, als würde man bereits den Kontostand prüfen, weil bald eine große Investition ansteht. „Wir kennen sein Spiel“, beschied Kapitän Sergio Ramos kühl. „Wir haben schon vor Jahren gegen ihn gespielt.“ So herablassend hat über Ronaldo noch nie jemand gesprochen. Obwohl den auch jeder kennt. mb